REUTLINGEN. Ich heiße Andrea und lebe seit zwei Jahren in Deutschland. Was ich in den vergangenen zwei Jahren erlebt habe, möchte ich gerne erzählen. Bis im Frühling 2017 war mein Leben wie das von den anderen auch. Ich bin in Zagreb geboren und wie jedes Mädchen hatte ich große Träume.
Nach der Schulzeit wollte ich von zu Hause wegziehen, aber nicht schon als Teenager. In Zagreb habe ich mit meiner Mutter und meiner älteren Schwester gewohnt. Ich ging dort zur Schule und habe in meiner Freizeit Leichtathletik trainiert. Mein Leben verlief eigentlich ganz normal, bis eines Abends meine Mutter in mein Zimmer kam, um mit mir zu reden. Sie erzählte mir, dass sie ans Auswandern denkt, wegen der schlechten Arbeitslage in Kroatien. Ich habe ihr erst nicht geglaubt, dass wir wirklich nach Deutschland umziehen. Doch in den nächsten Wochen redeten wir immer öfter darüber, bis mir klar wurde, dass wir tatsächlich in das große, traumhafte Deutschland umziehen würden, wo man gut Geld verdienen kann.
»Alle redeten immer von diesem mysteriösen Deutschland«
Von Deutschland wusste ich bisher nur, dass die Hauptstadt Berlin ist. Aber mir wurde nie wirklich bewusst, was ein Umzug eigentlich bedeutet, bis ich »mein Kroatien«, »mein Leben« verloren habe. Aber zu dem Zeitpunkt war ich extrem aufgeregt und wollte alles Neue entdecken und erleben – in diesem mysteriösen Deutschland, von dem alle redeten. Jetzt hatte ich meine Chance. Zu Hause fingen wir an, einzupacken und auch mein Zimmer wurde leerer und leerer. Die letzten Monate an meiner Schule gingen vorüber und meine Freunde und ich sammelten so viele Fotos wie möglich von all unseren gemeinsamen Erinnerungen. Das Einzige, an das ich denken konnte, war, dass ich endlich nach Deutschland umziehen wollte.
Aber noch bevor ich fort war, fing ich an, meine Freunde zu vermissen und Heimweh zu bekommen. Dabei war ich eigentlich ja noch nicht so weit weg von meinen Freunden und meiner Familie. Ich konnte es kaum ertragen, mein Haus, mein Zimmer, meine Welt so zu sehen. Alles leer, ganz leer und alles weg. Jeder wusste, dass man mich nach diesem Schuljahr nicht mehr sehen, dass ich weg sein würde. In Kroatien ging ich in die Realschule. Aber in Deutschland musste ich zuerst die Sprache lernen, weil ich kein Wort konnte.
Ich war vier Monate in einer Vorbereitungsklasse und danach in einer Kooperationsklasse. Es war eine schwierige Zeit für mich. Ich lernte ein paar neue Freunde kennen, jedoch hielt ich mich anfangs zurück und verbrachte die meiste Zeit mit meiner Familie. Ich weiß nicht warum, aber aus irgendeinem Grund hatte ich mir den Umzug, die Umstellung einfacher vorgestellt.
»Aus irgendeinem Grund hatte ich mir den Umzug einfacher vorgestellt«
Wenn ich nicht in der Schule war, saß ich in meinem Zimmer. Ich sehnte mich zurück nach Kroatien oder wenigstens nach dem Deutschland, von dem alle redeten. Das Einzige, was mir geblieben ist, sind ein paar kroatische Freunde, mit denen ich über WhatsApp noch Kontakt habe. Aber ich gewöhne mich langsam an meine neue Schule, die kleine Stadt und mein neues Leben.
Ich denke, dass die Ereignisse und Erfahrungen meine Familie enger zusammengeschweißt haben, was sehr schön ist. Mein einziges Problem bis jetzt ist die Sprache. Aber mit der Zeit, so glaube ich, wird es besser. Was mir in Deutschland sehr gefällt, sind die Städte, etwa Düsseldorf, Frankfurt oder Hamburg. Für meine Zukunft wünsche ich mir einen guten Schulabschluss und einen Ausbildungsplatz. (ZmS) Andrea Topalovic, St. Wolfgang Schule, Reutlingen, Klasse 10a