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Aktuell Leserbrief

»Wird Georgien zweite Ukraine?«

Zum Artikel »Georgien vor einem Alptraum?« vom 28. September (per E-Mail)

Zu denken geben sollte die jüngere Geschichte der Ukraine: »Auslöser des sogenannten Euromaidan war die Nichtunterzeichnung des EU-Assoziationsabkommens durch den damaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch. Die eigentliche Ursache war jedoch die weitverbreitete Frustration über ein korruptes und autoritäres Regime«, so die Bundeszentrale für politische Bildung. Dem gescheiterten Abkommen voraus hatten sich Ost und West in Kreditangeboten an die erneut vor dem Bankrott stehende Ukraine überboten. Parallel dazu die Maidan-Ereignisse, nicht ohne Einfluss von außen. Heute nun der Ukrainekonflikt.

Hierzu Altmeister Henry Kissinger zu seinem 100. Geburtstag: Vermeidbar war der Anschein einer unerwünschten Umklammerung Russlands durch »Finnlandisierung« der Ukraine, als Puffer zwischen Ost und West; und die Osterweiterung der Nato hätte der Absprache mit Russland bedurft. Anders ja die tatsächliche Entwicklung – unter intensivem US-Einfluss, so konkret im Detail die renommierte US-Historikerin Mary E. Sarotte. Osterweiterung der Nato und EU-Beitritt der Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts sind in direktem Zusammenhang zu sehen. Laut »Wirtschaftswoche« (Handelsblatt) »errichten die USA an Russlands Südflanke eine Militärbasis nach der anderen«. Und in Georgien befindet sich seit Jahren US-Militär mit gemeinsamen Militärübungen.

Georgien, aus dem Blick einer langen Einzeltour ums Schwarze Meer und durch den Kaukasus: Mit Georgien schließt sich (nahezu) der Kreis ums Schwarze Meer zum Binnenmeer der Nato: nach Norden aus der Türkei, von Westen her aus Abchasien, dann weiter unter Einbeziehung der Krim. Die Krim übrigens blieb aufgrund einer Volksabstimmung aus frühen Ukrainezeiten »autonomes Gebiet«. Abchasien, abgespaltene georgische Provinz mit rund zehn Prozent an georgischer Bevölkerung, führt eigene Sprache und Schriftzeichen. Von Georgien getrennt ist es durch das breite Flusstal des Enguri und eine 870 Meter lange Brücke – diese leer, trotz einmalig guten Straßenbelags, »von der EU bezahlt«. Ihr Übergang wird auch durch Georgien verwehrt. Selbst die deutsche Botschaft in Tiflis verweigert konstruktiv-fördernde Mitwirkung, »der Haltung der Bundesrepublik entsprechend«.

Georgiens zu 50 Prozent russisch-orthodoxe, christliche Bevölkerung steht in Spannungen zum dort anwachsenden Islam. Russische Sprache durchaus auch noch bei Jüngeren und Älteren. Ein Versuch der Korruptionsunterbindung scheiterte. Selbst die üblichen Kleinstläden in Tiflis sichern sich abends durch Metallgitter oder Security im Laden. Geldwechsel in einer großen Bank: Außen zwei Securitys, vor der mächtigen Rezeption zwei weitere Securitys; danach wird der Kunde vor dem Schalterraum von zwei elektrischen Starkglas-Schiebetüren zur Durchleuchtung eingesperrt; am Schalter – unter Passeinbehalt – Begutachtung jedes einzelnen vorgelegten Rubels durch eine Spezialistin. An Tankstellen erheblicher Zahlungsbetrug bei Kartenzahlung, der Reaktion zufolge: bewusst.

Ein Motorradgeschäft mit großer Webseite verlangt für neue Reifen Vorbestellung und Vorkasse. Es existiert aber nicht und ist der nahen Polizeistation unbekannt. Auf dem Lande bittet die Rezeption eines nagelneuen Hotels, das nasse, schlammverdreckte Motorrad ihr gegenüber im Konferenzraum abzustellen, dort habe sie es im Blick.

Worin liegt der Sinn unserer Einmischung?

 

Horst-Rüdiger Meyer auf der Heyde, Bad Urach