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Aktuell Leserbrief

»Vertrauen gewinnen durch Ehrlichkeit«

Zum Leserbrief »Wir haben die Wahl« vom 21. Dezember (per E-Mail)

Wir haben in der Tat die Wahl am 23. Februar für unser Land, für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Dafür brauchen wir eine vorausschauende Politik zur Lösung der Probleme unserer Zeit, vom Klimawandel bis zur Transformation unserer Wirtschaft. Dies erfordert Weitsicht und Mut, birgt aber auch viele Chancen für unsere Wirtschaft, die Arbeitsplätze in unserem Land und den sozialen Ausgleich.

Wollen wir daher 100 Milliarden Euro einfach so ausgeben ohne Gegenfinanzierung (SPD und Grüne haben dagegen Finanzierungsvorschläge für ihr Wahlprogramm vorgelegt), davon mehr als die Hälfte für die reichsten 10 Prozent in unserem Land, wie die CDU das in ihrem Wahlprogramm vorschlägt. Sind das die Leistungsträger unserer Gesellschaft oder sind die Leistungsträger doch eher die Menschen, die tagtäglich für einen Bruchteil dieser hohen Einkommen für das Wohl in unserem Staat arbeiten, in der Pflege, in den Erziehungsberufen, bei Polizei und Rettungsdiensten, in der Industrie und im Handwerk und mehr? Diese reichsten 10 Prozent sind in der Regel auch nicht die Inhaber mittelständischer Betriebe und selbstständige Handwerker, die dadurch gestärkt würden. Wir brauchen massive Investitionen in unsere hinterherhinkende Infrastruktur und weiteren Bürokratieabbau. Diese sind jedoch nicht ohne eine Reform der derzeitigen Schuldenbremse möglich, was namhafte Ökonomen täglich bestätigen. Einsparungen allein werden dabei nicht helfen, genauso wenig wie das Ausschütten von Steuergeschenken ohne ernsthaften Vorschlag zur Gegenfinanzierung.

Eine grundlegend andere Politik, wie Sie es fordern mit Blick auf USA und China, ist nicht die Politik der sogenannten freien Marktwirtschaft, sondern eine Politik der gezielten Anreize für bestimmte Technologien. Und gerade dieses Handeln macht unserer Industrie zu schaffen, weil wir diese Politik zu lange unterschätzt haben und seitens FDP und CDU das Postulat der Schuldenbremse als unverrückbar galt. Gepaart mit dieser ideologischen Bremse hat auch das Management einiger deutscher Großkonzerne manche Innovation verschlafen.

Nur auf staatliche Deregulierung und Steuergeschenke für die Reichen zu setzen, wird in der Zukunft nicht ausreichen, das ist eine Wirtschaftspolitik von gestern, vermutlich orientiert an den Black Rock-Erfahrungen von Friedrich Merz. Und wenn man von eigener Vergesslichkeit redet, sollte man nicht mit Steinen werfen, wenn man selbst im Glashaus sitzt. Die meisten Regulierungsvorschriften sind doch in den vielen Jahren CDU-geführter Regierungen auf Bundes- und Länderebene entstanden. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die wir schnellstens lösen müssen, unabhängig von parteipolitischer Ideologie.

Ich hoffe, dass Ihr Satz »Dafür dürfen keine parlamentarisch möglichen Optionen ausgeschlossen werden« sich auf diejenigen Parteien bezieht, die auf dem Boden des Grundgesetzes für Freiheit und Demokratie stehen. Oder sollte das ein versteckter Hinweis zu einer möglichen Kooperation mit den rechtsextremen Kräften innerhalb der AfD sein? Ich hoffe es nicht!

Das Vertrauen der Bürger in die Politik zu gewinnen, das schaffen wir nur durch Ehrlichkeit und indem wir die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Dazu gehört immer auch eine flankierende Sozialpolitik, wie wir es seit Jahrzehnten als Soziale Marktwirtschaft verstehen: Leistungsbereitschaft unbedingt, aber mit einem fairen Ausgleich von sozialen Härten.

Ich bin im Übrigen auch sehr froh, dass wir mit Olaf Scholz einen erfahrenen und kompetenten Bundeskanzler haben, der die Waffenlieferungen zur Unterstützung der Ukraine vorantreibt, aber mit Besonnenheit die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper ablehnt. Da fehlt mir leider das Vertrauen bei den anderen Kanzlerkandidaten.

 

Margrit Vollmer-Herrmann, Pfullingen