Logo
Aktuell Leserbrief

»Undifferenzierte Zeilen«

»Bedenkliche Rechtsprechung« (per E-Mail)

Wenn schon das Beispiel unpassend gewählt ist, was kann man dann von der Argumentation selbst erwarten? Was hat die Religionszugehörigkeit mit der Arbeit bei einem Automobilhersteller zu tun? Offensichtlich nichts.

Was hat die Religionszugehörigkeit mit der Arbeit bei einer Religionsgemeinschaft zu tun? Offensichtlich viel. Würde ein Automobilhersteller einen ausgewiesenen Marketingexperten, aber erklärten Automobilgegner im eigenen Marketing einstellen? Unwahrscheinlich. Würde jemand darüber den Kopf schütteln? Eher unwahrscheinlich.

Natürlich: Der Vergleich hinkt auch etwas – wie jeder Vergleich. Er erinnert aber an die Binsenweisheit, dass in vielen Berufen die Haltung ebenso wie die Identifikation mit dem Arbeitgeber neben der Qualifikation eine ganz entscheidende Rolle spielen.

Besonders ärgerlich ist überdies, dass der Verfasser des Kommentars »Bedenkliche Rechtsprechung« vom 24. Oktober sich offensichtlich nicht die Mühe gemacht hat, herauszufinden, dass in kirchlichen Einrichtungen längst schon Fachkräfte eingestellt werden, die nicht Mitglied einer der christlichen Kirchen sind – nicht grundsätzlich, sondern dann, wenn dies vertretbar erscheint.

Stattdessen geht der Verfasser des Kommentars mit Phrasen wie »nicht mehr zeitgemäß« (was auch immer man darunter verstehen mag) oder »Staat im Staate« auf einen der üblichen Verdächtigen – dieses Mal eben die Kirche und ganz nebenbei (ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt wird nicht ganz klar) auf das Bundesverfassungsgericht – los. Das differenzierte Urteil des Gerichts wird durch ein paar undifferenzierte Zeilen kommentiert. Natürlich kann der Verfasser diese seine Meinung vertreten. Sie leistet nur leider keinen Beitrag zu der Diskussionskultur, die wir so dringend brauchen, um unsere Gesellschaft zusammenzuhalten.

 

Gernot Schullerus, Reutlingen