Am 29. Januar stimmte der Bundestag dem Entschließungsantrag der CDU zum Thema Migration zu. Rein technisch ist das erst mal keine verwerfliche Handlung. Das Parlament reagiert damit auf die jüngsten Gewalttaten durch Männer ausländischer Herkunft. Ein vernünftiger und demokratischer Vorgang und dazu noch einer, bei dem man weite Teile der Bevölkerung hinter sich wähnt. Wer hat schon was gegen mehr Sicherheit und Ordnung auf deutschen Straßen. Zu verdanken haben wir dieses politische Kunststück den Stimmen der CDU/ CSU, der FDP und natürlich der AfD.
Der Antrag bringt zusammen, was von jeher zusammengehört. Scharfer Sachverstand und außerordentliche Moral, gebündelt in einem zweiseitigen Antrag, bereit Deutschland zu erretten, ein Land, dass offenbar drohte in seinem eigenen Blut zu ersaufen. Natürlich ist der letzte Satz ebenso großer Unfug, wie der besagte Entschließungsantrag. Rein sachlich scheitert der Schmierzettel an diversen internationalen Abkommen, an fehlendem Personal (Polizisten wachsen nicht auf Bäumen) und einer kleinen, aber feinen Sammlung von Grundsätzen aus dem Jahre 1966, den allgemeinen Menschenrechten.
Das ist die sachliche Seite dieser rostigen Medaille. Die andere Seite, die Seite der Moral und der politischen Ehre, ist noch deutlich stärker korrodiert. Ich empfehle im Voraus zu den nächsten Zeilen die Lektüre des CDU-Programms auf Seite 47. Dort heißt es: »Unser christliches Menschenbild gebietet es, dass wir den Ärmsten und Schwächsten auf der Welt helfen«.
Die CDU schmückt sich von jeher mit einer ganzen Reihe von positiven moralischen Eigenschaften. Sei es Ehrlichkeit, Treue zur demokratischen Mitte oder das Bekenntnis zu basalen christlichen Werten, wie Barmherzigkeit, Nächstenliebe und allgemeine Wohltätigkeit. Sie haben Schwierigkeiten, den letzten Satz mit der Realität in Einklang zu bringen? Das ist nicht Ihre Schuld. Ehrlichkeit, ein Wort, das auch oft in christdemokratischen Wahlwerbungen bemüht wird, können wir recht schnell von der Liste streichen. Keine Zusammenarbeit mit der AfD wurde der Basis und dem Rest des demokratischen Parteienspektrums gebetsmühlenartig versprochen. Offensichtlich gelogen und das nicht mal besonders subtil. Erwartbar, wenn man das Treiben von Merz schon länger verfolgt. Bitter enttäuschend, menschlich und fachlich, wenn man die Liste der Abstimmung öffnet und die Vertreter des Wahlkreises, Michael Donth (CDU), Pascal Kober (FDP), mit einem simplen Ja unter ihren Porträts erblickt, beide offenbar bereit, diesen Wortbruch mitzutragen und sich dabei selbst unehrlich zu machen.
Der Antrag ist Symbolpolitik, er wird nichts bewirken, das Problem nicht lösen. Trotzdem steht er in einem größeren Kontext. Zentrale Parteien der Mitte stimmen mit offensichtlichen Antidemokraten über einen menschenfeindlichen, sachlich falschen und geschmacklosen Antrag ab, wenn man bedenkt, dass diese Abstimmung nur den Gipfel einer Debatte auf dem Rücken eines toten zweijährigen Kindes darstellt. Schon einmal hat die konservative Mitte ihre eigenen Werte für das Erlangen von Macht prostituiert, nämlich 1933 mit bekanntem Ausgang.
Der 29. Januar 2025 ist ein Tag der Schande und des Verrats. Auch dank Stimmen hiesiger CDU- und FDP-Vertreter, die sich bei Gelegenheit an einen Satz aus Artikel 38 GG erinnern sollten: "Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. "
Yannick Hummel, Römerstein