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Aktuell Leserbrief

»Stören Windräder weniger?«

Landwirtschaftlicher Schuppen (per E-Mail)

Gundelfingen liegt im Großen Lautertal. Vielleicht in einer der landschaftlich schönsten Ecken auf der Schwäbischen Alb. Doch Schönheit hin, Tourismus her: Hier muss auch gelebt und gearbeitet werden. Meine Familie bewirtschaftet in Gundelfingen einen landwirtschaftlichen Betrieb mit rund 50 Hektar Fläche: Äcker, Wiesen und Wald. Wir tragen somit erheblich zu diesem schönen Landschaftsbild und zum Erhalt der einzigartigen Kulturlandschaft bei. Allerdings: Die Maschinen werden größer, die Flächen mehr.

Der Hofnachfolger steht bereits in den Startlöchern, diesen Betrieb in die Zukunft zu führen. Deshalb benötigen wir dringend mehr Lagerplatz in Form eines landwirtschaftlichen Maschinenschuppens in Hofnähe, was auch vonseiten des Landwirtschaftsamtes so gesehen und unterstützt wird. Dazu haben wir frühzeitig das Gespräch mit den amtlichen Stellen (Landwirtschaftsamt, Forstamt, Baurechtsamt der Stadt Münsingen) gesucht und konnten uns auf einen Standort einigen. Das daraufhin eingereichte Baugesuch hat die Hürden schnell genommen – bis sich die Untere Naturschutzbehörde einschaltete und ihre Zustimmung verweigerte.

Der Schuppen stört anscheinend den »aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter«. Das ist das Hauptargument. Da frage ich mich schon, ob der Ortschaftsrat (einstimmige Zustimmung) und der Gemeinderat der Stadt Münsingen (mehrheitliche Zustimmung) sowie die anderen Behörden nicht zu diesem Kreis der »aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter« gehören. Woran genau stört sich dieser »aufgeschlossene Durchschnittsbetrachter«? Wenn wir von unserer schönen Burgruine Hohengundelfingen ins Tal schauen, dann fällt das neue Baugebiet im Tal in den Blick, dann sehen wir eine neue Garage direkt neben der Burg Niedergundelfingen und direkt vor der Michaelskapelle, die dadurch verdeckt wird. Und in kurzer Zeit können wir den Sonnenuntergang im Westen durch 10 bis 15 Windräder betrachten, die sich von Ehestetten über Hundersingen bis nach Eglingen in den Horizont stellen werden. Das alles stört den »aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter« scheinbar nicht, ein landwirtschaftlicher Schuppen in angemessener Entfernung zur Lauter aber schon.

Diesen Schuppen benötigen wir nicht aus Spaß an der Freude, sondern um die schöne Kulturlandschaft zu bewirtschaften und zu erhalten. Als ob es die Landwirtschaft im Tal der Großen Lauter nicht schon schwer genug hätte: Da ist der geschützte Biber, der unsere Felder entlang der Lauter schädigt; und da ist der geschützte Wolf, der immer näherkommt und unsere Weidetiere (Ziegen und Schafe) zur Pflege der schönen Wacholderheiden als Wahrzeichen des Lautertals gefährdet.

Wir Landwirte sorgen dafür, dass unsere schöne Kulturlandschaft erhalten bleibt. Das ist aktiver Naturschutz. Es kann nicht sein, dass unsere Felder nur noch benötigt werden, um auf ihnen Windräder und Flächenphotovoltaikanlagen zu erstellen. Oder dass man aus ihnen Baugebiete macht, um genügend Wohnraum zu generieren; dass man auf ihnen Blumenwiesen anlegt, um Artenschutz zu betreiben und für Vögel und Insekten Lebensraum zu gestalten. Schon jetzt sind es überwiegend wir Landwirte, die für grünen Strom, für Artenschutz, Bauland und blühende Landschaften sorgen. Landwirtschaft im eigentlichen Sinn wird jedoch anscheinend nicht mehr benötigt, kann man das Essen doch »regional« aus allen Teilen der Welt importieren.

Georg Erzberger, Gundelfingen