Prominent prangt auf der ersten Seite des GEA vom 21. Februar ein Bild von Jesus mit dem Plakat »Klimaschutz ist Menschenschutz«. Es verweist auf einen Artikel zur Tübinger Aktion, die mit einem großen Banner an der Stiftskirche fragt: »Wäre Jesus Klimaaktivist?«. Zu den Antworten der drei befragten Kirchenmänner beziehungsweise Gemeindeleiter möchte ich meine dazulegen. Denn anders als sie würde ich die Frage auf dem Banner klar beantworten: Ja, sicher würde Jesus heute auch – und zwar höchst aktiv – fürs Klima kämpfen.
Eine steile These? Als Theologin kann ich sie gut begründen. Denn wenn man die Evangelien unvoreingenommen und auf dem Hintergrund der historischen Situation im Römischen Reich liest, kann man einen ganz anderen Jesus entdecken als den, der sich nur um das Seelenheil des Einzelnen kümmert. Die Lebensverhältnisse von circa 90 Prozent der Menschen damals waren sehr bedrückend – Leben am Existenzminimum, wo der Hunger zum Alltag gehörte und jede Krankheit potenziell lebensbedrohlich war. Dazu aufgrund der despotischen Herrschaftsverhältnisse die Perspektivlosigkeit, dass sich irgendetwas zum Besseren verändern könnte. Und was macht dieser Jesus?
Er stellt dem das Konzept des »Reiches Gottes« entgegen, einer Welt, in der Solidarität, Fürsorge für Benachteiligte, Friede und Gerechtigkeit herrschen. Und damit Gott statt dem »Mammon«! Damit meint er explizit kein fernes Jenseits: »Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter uns«. Dazu gründet er eine Gemeinschaft, in der das Neue schon zeichenhaft gelebt wird.
Jede Heilung, jede wunderbare Brotvermehrung, jede Seligpreisung zielt darauf ab, dass die Menschen eine Alternative sehen und Hoffnung bekommen. Und warum? Weil er zuinnerst davon überzeugt ist, dass Gott in seiner Menschenliebe ein »gutes Leben für alle« möchte. Dazu ruft er radikal auf, »das Alte« hinter sich zu lassen und Neues zu wagen.
Klar, wenn man wenig Perspektiven hat, ist das leichter, als wenn wir uns vom bequemen Leben aus »raus aus der Komfortzone« bewegen, wie es Fridays for Future fordern. Sie tun das, verdrängen nicht die Bedrohung, die die Klimakrise bedeutet, setzen viel Zeit und Energie ein, damit die nötigen Veränderungen geschehen. Sie haben auch verstanden, dass es nicht eigentlich um die Rettung des Klimas oder »die Bewahrung der Schöpfung« geht, sondern um »Menschenschutz«. Heute schon um die Lebensperspektiven von Millionen von Menschen auf der Südhalbkugel.
Sie leben viel von dem, was Jesus damals vorgelebt hat. Meine Vision wäre, dass sich alle, die sich Christen nennen (bis hin zu denen, die mit dem C im Namen eine dem Geist Jesu entgegengesetzte Politik verfolgen und jetzt auch noch zivilgesellschaftliches Engagement infam diskreditieren), vom »alten« Jesus und seinen heutigen »Followern im Geist« anstecken ließen.
Cornelia Eberle, Reutlingen