Seit nunmehr geraumer Zeit steht der Allgemeinheit in der oberen Wilhelmstraße ein Buchtausch-Regal zur Verfügung. Ermöglicht wurde dies durch die Initiative der Oststadt-Bewohner ILOS, die das Regal aufgestellt hat und auch betreut. Die Idee erklärt sich selbst: Man verschenkt Bücher, die man selbst nicht mehr braucht und hat die Gelegenheit, so die Regel, 1 bis 3 Bücher selbst mitzunehmen. Ein nicht-kommerzieller Austausch von Literatur aller Art, Wissen und Lesevergnügen.
Seit einigen Monaten findet man aber das Regal überwiegend leer gefegt vor, lediglich drei bis fünf Alibi-Büchlein stehen noch da, vermutlich, damit man überhaupt merken soll, dass hier Bücher weitergegeben werden können. Ich habe den Eindruck, dass sich das auch auf das entsprechende Regal im Eingangsbereich des Alberhauses erstreckt.
Neulich samstags war das Regal am Albtorplatz dann durch eine größere Anlieferung ausnahmsweise mal wieder einigermaßen gefüllt und ich konnte in einer halben Stunde erleben, was das Schöne an diesem Regal ist: Unablässig blieben Leute jeden Alters stehen, man sah sie blättern, lesen, abwägen und wie sie sich auch in die Bücher vertiefen. Es ergeben sich auch jederzeit schöne Gespräche mit anderen Leserinnen und Lesern und man stellt sich vor, dass eben auch Menschen mit wenig Geld hier ein niederschwelliges Angebot vorfinden. Leider wird es seit einigen Monaten systematisch leer geräumt. Man kann einzelne Leute beobachten, die große Taschen und Rücksäcke mit Büchern füllen. Spricht man sie an, um sie hinzuweisen auf das Unsoziale ihres Tuns und dass sie damit viele Menschen enttäuschen, erreicht man mit diesen Appellen bislang leider nichts.
Auch ILOS selbst hat inzwischen viele enttäuschte Rückfragen erhalten, da es sich kaum mehr lohnt, das Regal anzusteuern. Meiner Beobachtung nach hat auch die Bereitschaft der Leute, dort Bücher abzulegen, deutlich nachgelassen.
Offensichtlich gibt es für jemanden die Möglichkeit über den Weiterverkauf an Gebrauchtbuch-Portale ein, wenn auch schmales, Extra-Geld zu verdienen. Erwähnt sei aber auch der Umstand, dass das Papier alter Bücher, früher noch ohne optische Aufheller, mittlerweile ein begehrter Rohstoff für Fälscher aller Couleur ist, da deren Machwerke den ersten Test mittels UV-Lampe problemlos überstehen. Es steht zu befürchten, dass Bücher, die nicht versilbert werden können, dann einfach entsorgt werden. Egal wie, lässt einen das traurig zurück, da eine so schöne und gleichzeitig einfache Idee für viele, die es interessiert, an Eigennutz und Egoismus zugrunde geht.
Vielleicht können Sie, die das Tauschregal nutzen und schätzen, sich ein Herz fassen und, wenn Sie so eine Räumaktion beobachten, die Betreffenden freundlich aber bestimmt darauf ansprechen. Vielleicht ist mit Beharrlichkeit von vielen Seiten etwas zu erreichen!
Stefan Galka-Sudau, Reutlingen
