Die Post muss weg – und der neue Bürgermeister guckt zu seinem Fenster raus! Also, ich bin ja gerne hingegangen zur Post, gleich um die Ecke, die Damen Cottin vom Jahreszeitenladen, Mutter und Tochter, immer freundlich, kompetent und hilfsbereit, und dann noch der Opa dabei, den fand ich am süßesten, aber den hat der neue Bürgermeister vielleicht gar nicht mehr kennengelernt.
Zu was braucht man eine Post – und zu was braucht man einen Bürgermeister? Zwei- bis dreimal die Woche bin ich hingegangen, zur Post halt, aufs Rathaus komme ich nur zwei- bis dreimal im Jahr. Die im Rathaus machen ihre Arbeit auch, natürlich, machen sie auch gut, keine Frage, und der neue Bürgermeister ist ein ganz fitter, aber als einfacher Eninger brauch ich eben die Post mehr als das Rathaus. Die alte Post war für mich und viele Leute auch mit den verkürzten Öffnungszeiten ein Stück Lebensqualität.
Wie es jetzt gekommen ist, dass die Post zumacht, das haben wir schon befürchtet, aber dass die neue Post zum Stumpp runter kommt, das geht gar nicht, da kann ich nicht mehr hinlaufen, da brauch ich ja das Fahrrad. Mir ist spontan eingefallen, ob es für mich vielleicht leichter wäre, wenn nicht die Post, sondern der neue Bürgermeister gleich zum Stumpp runter ginge, da könnte er dann ganz entspannt an seinem Fenster sitzen und wäre nicht vom Post-Verkehr gestört.
Jetzt bleibt er aber hier, doch zum Stumpp geht gar keiner mehr zu Fuß, nicht einmal die Kunden von der Aldi-Packstation gegenüber oder die vom Augenried oder der Wenge. Der Stumpp ist eben kein »adäquater Ersatz«. Ich frage mich schon, ob die vom Rathaus wirklich alles versucht haben, um die Post an einem vernünftigen Ort und bei tüchtigen neuen Mitarbeitern unterzubringen. Ich würde es für einen Gewinn für Eningen halten, wenn die Post wieder bei uns Menschen im Ort wäre. Hat es denn gar kein Postzimmerchen, zum Beispiel im Rathaus unten selbst? Das wäre eine neue Aufgabe für den neuen Bürgermeister, aber der hat vielleicht noch gar nicht gesehen, wie viele Häuser in seinem Ort leer stehen.
Neue Leute für die Post zu finden, stelle ich mir allerdings schon schwieriger vor. Letzte Woche wollte ich einen Brief einwerfen, da standen vier junge Mitbürger vor der Tür und haben mir fröhlich in schlechtestem Deutsch erklärt, dass die Post »geslisen« sei. Eine nette Begegnung, die es beim Stumpp unten auch nicht gegeben hätte.
Mathias Langanky, Eningen