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Aktuell Leserbrief

»Planlos in die Zukunft der Bildung?«

Schulentwicklungsplan

Im Haushaltsentwurf für den Doppelhaushalt 2024/2025 hat die Verwaltung Mittel für einen Schulentwicklungsplan vorgesehen. Das ist richtig und wichtig. Die Schülerzahlen verändern sich stetig und auch die Herkunftsgeschichten der jungen Menschen verändern sich stark gegenüber den Vorjahren. Die Zahlen und Berechnungen des letzten Schulentwicklungsplans aus dem Jahr 2015 müssen daher dringend überarbeitet und angepasst werden.

Seltsam ist allerdings, dass weiterhin die Entscheidung darüber, ob die Stadt der evangelischen Schulstiftung den Auftrag gibt, ein Gymnasium in freier Trägerschaft zu bauen und dieses mit insgesamt 60 Millionen Euro zu finanzieren, vorangetrieben wird.

Im Januar soll im Gemeinderat darüber abgestimmt werden, ob die evangelische Schulstiftung mit hoher finanzieller Unterstützung der Stadt das Gymnasium in Reutlingen etablieren darf. Diese Herangehens-weise erscheint nicht sinnvoll angesichts des Bemühens um einen Schulentwicklungsplan, der ja erst die tatsächlichen Bedarfe ermitteln soll. In den letzten Monaten wurden viele Zahlen, sei es zu den zu erwartenden Schülerinnen und Schülern oder zum tatsächlichen Bedarf an gymnasialen Zügen angepasst, sodass die Planungen, die der Forderung nach einem Gymnasium in freier Trägerschaft zugrunde liegen, hinterfragt werden müssen.

»Schulentwicklungspläne müssen alle allgemeinbildenden Schulen im Sekundarbereich berücksichtigen«, beschreibt das Bildungsministerium des Landes Baden-Württemberg das Ziel einer solchen Erhebung. Vielleicht kann ein Schulentwicklungsplan, der die gesamte Reutlinger Bildungslandschaft in den Blick nimmt, auch der Tatsache Rechnung tragen, dass es in Reutlingen seit zwei Jahren an der Minna-Specht-Gemeinschaftsschule eine gymnasiale Oberstufe gibt, die – sollte der Raumbedarf irgendwann gedeckt sein – ausgebaut werden und zum Abdecken der gymnasialen Plätze beitragen kann. Wir wundern uns daher, dass die Stadt Reutlingen die grundlegende Entscheidung, sich Jahre lang an ein Privatgymnasium zu binden, ohne einen vorher ausgearbeiteten Schulentwicklungsplan treffen möchte und wir regen an, dem logischeren Vorgehen zu folgen: Erst ein Schulentwicklungsplan, um tatsächliche Bedarfe aller Schularten zu erfassen, und dann die Planung konkreter Schulerweiterungsprojekte.

Als Lehrerinnen an einem Reutlinger Gymnasium schätzen wir die Vielfalt an unserer Schule und sehen es als wesentlich an, dass die Bildungslandschaft nicht weiter zersplittert und damit einer sowieso schon drohenden gesellschaftlichen Spaltung weiter Vorschub geleistet wird.

Wir hoffen, dass der Schulentwicklungsplan umgesetzt, die Entscheidung über ein Gymnasium in freier Trägerschaft auf Eis gelegt und die Erweiterung der bisherigen Gymnasien auf Grundlage der neuen Erkenntnisse noch einmal in den Blick genommen wird.

Dinah Fleury und Cathy Hammer, Reutlingen