Zunächst einmal: Die Union ärgert sich über Afghanen. Dass der christlichen Mitte nur noch wenig heilig ist, ist nichts Neues. Dass sie das an Menschen auf der Flucht auslassen, auch nicht. Aber die Schlagzeile ist unpassend bezüglich des DPA-Artikels, der in anderen Zeitungen doch durchaus adäquatere Überschriften gefunden hat. Denn in diesem Fall ärgert sich die Union doch gegen das letzte Aufbegehren des Anstandes bei der SPD – nicht über nicht näher benannte Afghaninnen und Afghanen. Menschen aus Afghanistan, die nachweislich geholfen haben, »die Freiheit Deutschlands am Hindukusch zu verteidigen«, werden vor der mordenden Taliban gerettet. Das ist nur angebracht! Eine reißerische Schlagzeile zu wählen, die nicht mal annähernd etwas mit dem Inhalt zu tun hat, ist unangebracht.
Dass der Kommentar von Marcus Sauer, der sich dann inhaltlich mit dem auseinandersetzt, was die reißerische Schlagzeile sagt, unsachlich ist, ist bedauerlich. Sind wir nun wieder bei den gefühlten Wahrheiten angekommen? Oder auf was bezieht sich Herr Sauer mit seinen Anschuldigungen? Afghanen machen die meisten Probleme? Sind besonders schwer zu integrieren?
Die Afghanen und Afghaninnen, die mit den Flügen geholt und damit gerettet werden vor dem Tod, sind Menschen, deren Identität zweifelsfrei geklärt ist, die einem Sicherheitscheck unterzogen wurden und die in der Vergangenheit unter Einsatz ihres Lebens demokratische Strukturen unterstützt haben. Woher also die Anschuldigungen ohne Bezug auf Fakten? Woher nehmen Sie das Recht, pauschal eine Gruppe mit dieser emotionalen Aussage an den Pranger zu stellen?
Sollten Sie sich auf einen in den Medien breit thematisierten Amoklaufenden beziehen, dann möchte ich an dieser Stelle noch einmal laut sagen, dass das Problem zuerst einmal männlich ist, bevor es ein Problem der Menschen ist, die einen Fluchthintergrund haben! Und das ist keine gefühlte Wahrheit, sondern zeigt sich in den Zahlen zu männlicher Gewalt, siehe zum Beispiel Femizide.
Angst machen mir Kommentare wie dieser und reißerische Schlagzeilen wie jene, die einfach weiter nur den Hass gegen Menschengruppen beschwören und nach unten treten – und nicht zuletzt erschreckt mich einmal mehr das demokratieschädliche Handeln des angehenden Kanzlers!
Sich an Vereinbarungen zu halten (die gab es nämlich gegenüber den sogenannten Ortskräften!), Menschen zu schützen, die für Demokratie einstehen unter widrigsten Umständen und diese im Zweifelsfall vor dem Tod zu bewahren, ist nicht nur angebracht, sondern demokratisch. Reißerischen Schlagzeile zu wählen und gefühlte Wahrheiten zu verbreiten, trägt sicherlich nicht zur Festigung unserer Demokratie bei. Dabei sind doch gerade Lokal – und Regionalzeitungen ein wichtiger Pfeiler unserer freiheitlichen Grundordnung.
Lena Moeller, Asylpfarrerin, Reutlingen