Während der Ausgang der Bundestagswahlen kalkulierbar ist, wird mit dem Amtsantritt von Trump die politische Tektonik innen- und außenpolitisch ins Rutschen geraten. Und somit das zentrale Konfliktfeld des Ukraine-Krieges. Meine schon früh formulierte Hypothese schneller Friedensverhandlungen ist nicht nur von Trumps Selbstanspruch, den »Krieg in 24 Stunden zu beenden«, geprägt. Am 21. Januar 2025 wäre es also so weit. Putin hatte kurz vor Weihnachten »Kompromissbereitschaft« signalisiert. Und kurz nach Trumps Wahl signalisierte Selenskyj »Land für Frieden«. Also: Alles in trockenen Tüchern?
Ich folge bei meiner Einordnung Prof. Jeffrey Sachs (Columbia University), dass mit folgender Ankündigung Trumps der Krieg zu beenden wäre: »Die USA geben das seit 30 Jahren verfolgte Ziel auf, die Nato auf die Ukraine und Georgien auszuweiten«. Mit der Zusage einer prinzipiellen Neutralität der Ukraine wäre der Krieg mit einem Schlag zu beenden. Details über die Grenzziehung müssten verhandelt werden. Prof. Sachs weiter: Hätte die Nato das russische Sicherheitsbedürfnis respektiert und darauf verzichtet, die Ukraine in die Nato zu integrieren und entsprechend aufgerüstet, wäre es nicht zum russischen Angriff gekommen. Donezk und Luhansk wären immer noch unter ukrainischer Hoheit.
Russland wolle einfach kein US-Militär an seiner 2.300 Kilometer langen Ukraine-Grenze. Im von der UNO unterstützten Minsk-II-Abkommen waren keinerlei territoriale russische Ansprüche fixiert. Mit den Entwurf eines Sicherheitsabkommens (2021) unternahm Putin den von Biden abgelehnten Versuch einer diplomatischen Lösung. In dem Vertragsentwurf von Istanbul (2/22) bestand die auch von Selenskyj getragene Chance, die russische Hauptforderung des Nato-Verzichts zu ratifizieren. Die USA und Großbritannien blockierten diese Friedenschance. Prof. Sachs ist also überzeugt, dass die Neutralität der Ukraine bis heute der Schlüssel zum Frieden ist.
Washington und die Nato-»Partner« hatten jedoch keine »Exit-Strategie«, sondern setzten die Zielvorgabe auf vollkommenen Sieg der Ukraine. Die Ergebnisse kennen wir. Jetzt fordert Trump ultimativ Putin und Selenskyj zu Verhandlungen auf. Damit spricht sich Trump gegen Friedensverhandlungen im Format wie 6/24 in der Schweiz aus (100 beteiligte Staaten unter Ausschluss Russlands). Die von ihm verfolgte Verhandlungstheorie des »BATNA«-Konzeptes fokussiert die beste Alternative zu einer ausgehandelten Einigung. Es geht vor allem auch darum, was passiert, wenn Plan A scheitert. Demnach ist die beste Chance für eine Verhandlungslösung die gegenseitige Einsicht, dass Weiterkämpfen den Interessen mehr schadet als nutzt.
Trump hat sich mit seinem Wahlversprechen selbst unter Druck gesetzt. Sein »Deal«-Ansatz wird Russland zur Gesichtswahrung territoriale Zugeständnisse machen, die Selenskyj schon 11/24 ins Spiel gebracht hat (Süd-Ost-Ukraine, Krim, Donbass). Sollte Putin jedoch bei seiner Maximalforderung (»Entnazifizierung« der Ukraine) bleiben, würde Trump die Ukraine bis an die Zähne bewaffnen und vielleicht atomar eskalieren. Ich halte es für ausgeschlossen, dass Putin dieses Risiko eingeht.
Und die anderen Nato-»Partner«? Brüssel bewegt sich schon jetzt im Panik-Modus mit Trumps Wahlkampf-Aussagen: Stopp der Waffenlieferungen, Ende des militärischen Schutzschirms, Überprüfung der traditionellen Bündnisse, aggressiver Protektionismus … Die politische Tektonik wackelt. Verzweifelt sind die Versuche der Besänftigung: Mehr US-Gas, mehr als zwei Prozent des BIP, härtere Gangart gegen China et cetera.
Es gibt Hoffnung auf einen Frieden im Ukraine-Krieg! Denn: Angesichts der desolaten militärischen Lage der Ukraine wird der Westen einlenken müssen, um die einzig verbleibende Option auszuschließen – einen Atomkrieg.
Dr. Günter Ludwig, Reutlingen