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Aktuell Leserbrief

»Mutig und oft unkonventionell gewirkt«

Zum Artikel »Abschied von einem großen Gestalter« vom 4. Januar (per E-Mail)

Einen Menschen wie Albert Schuler allumfassend zu würdigen, ist nicht möglich. Dem GEA-Nachruf möchte ich drei Facetten hinzufügen: Vor rund 45 Jahren wollte die Eduard-Spranger-Schule als erste Hauptschule Baden-Württembergs mit einer Klasse zwei Wochen lang nach England fahren. Bislang war solch eine Fahrt nur Realschulen und Gymnasien vorbehalten!

Albert Schuler würdigte das Engagement der Eltern, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schülern, die zur Finanzierung etliche Aktionen durchgeführt hatten, mit einer Spende von 500 Mark. Dies nicht etwa aus dem Stadtsäckel, sondern aus seiner Privatschatulle! Presse, Rundfunk und Fernsehen berichteten ausführlich über das Unternehmen, das in Folge zahlreiche Nachahmungen bei Hauptschulen auslöste und diese Schulart dadurch aufwertete.

Als die DDR »aufmachte« und GEW-Mitglieder nach Dresden und Pirna reisten, ergaben sich alsbald rege Kontakte: Eine Klasse aus Dresden-Blasewitz kam nach Reutlingen, machte hier unter tatkräftiger Ägide von Suse Gnant (damals SPD-Gemeinderätin) das erste gesamtdeutsche Sportabzeichen im Rahmen der Bundes-jugendspiele.

Albert Schuler und der damalige Kulturamtsleiter Dr. Ostberg unterstützten diese Begegnung und den nachfolgenden Schüleraustausch in sagenhafter Weise durch Empfänge, Gastgeschenke und finanzielle Zuwendungen. Noch heute bestehen Kontakte zwischen Schülern und Lehrkräften beider Bundesländer!

Die dritte Facette war für mich die eindrücklichste: An der Spranger-Schule gab es im Rahmen der »Förderung besonders befähigter Schülerinnen und Schüler« eine Englisch-AG, die mit Sprachbegabten Shakespeares »The Tempest« nicht nur übersetzte, sondern in den Jargon junger Menschen überführte. Quasi als Belohnung sollte diese kleine Gruppe nach Stratford-upon-Avon fahren können. Albert Schuler ist es zu verdanken, dass über seine privaten Connections ein VW-Bus der Firma Danzer – vollgetankt, insassen- und vollkaskoversichert – kostenlos zur Verfügung gestellt wurde.

Mit Albert Schuler hat uns ein Mensch verlassen, der mutig und oft unkonventionell gewirkt hat, Gegenwind nicht fürchtete und aus seiner Sympathie für die Hauptschulen heraus nachhaltige Akzente setzte. Menschen wie er hinterlassen Spuren. Für mich ist das eine Form des Weiterlebens nach dem Tode.

 

Paul Rasch, Reutlingen