Man kann ja inhaltlich durchaus unterschiedlicher Meinung sein, ob Reutlingen eine kreisfreie Stadt werden soll, aber immerhin hat eine Dreiviertelmehrheit des Gemeinderates den entsprechenden Antrag gestellt. Da reibt man sich dann schon die Augen und hält vieles nicht für möglich: Wie vom Landtag in Stuttgart aufgetragen, machen sich Landkreis und Großstadt fleißig an ihre Hausaufgaben und benennen jene Aufgabengebiete, die nach Ansicht von Stadt und Kreis anders zugeteilt zu effektiveren Ergebnissen und bürgernäheren Lösungen führen können. Mit dieser Vorgabe entschied die Mehrheit des Landtages 2018, den Antrag der Stadt Reutlingen, künftig als kreisfreie Stadt behandelt zu werden, abzulehnen.
Die eingereichten Aufgaben, die von einer Arbeitsgruppe hochrangiger Repräsentanten aus Stadt und Kreis Reutlingen unter der Moderation des ehemaligen Regierungspräsidenten Hubert Wicker entstanden waren, wurden leider in der Ministerialbürokratie nicht mit den passenden Noten bewertet und fielen durch. Sowohl aus dem Ministerium des Innern, als auch aus dem Finanzministerium war zu hören, dass eine Änderung der Aufgabenträgerschaft nicht befürwortet wird und es systematische Gründe gebe, die gegen die Vorschläge sprechen. Es wird seitens des Landes dieser Vorschlag »... nicht weiterverfolgt«, basta! Im Kirchenrecht heißt das: Roma locuta causa finita! Rom hat entschieden, der Fall ist erledigt.
Dass der Landtag eben den Auftrag gegeben hatte, die Großstadt im Landkreis zu belassen, indem von den beiden Betroffenen über eine Neuverteilung der Kompetenzen nachgedacht und Änderungen vorzuschlagen sind, bleibt in der Bewertung durch die Ministerien völlig außer Acht. Die Förmchen und Schäufele werden wieder eingesammelt, das Sandkastenspielen ist beendet, lautet der Kanzleitrost. Das wirkt auf den Betrachter und den Wähler so, als ob die Bürokratie nicht interessiert, was die Politik entscheidet. Wir müssen uns vielmehr fragen, wissen die Abgeordneten, was sie vorgegeben haben, wenn in den Ministerien bestimmt wird, was geht und was nicht! Spätestens an einer solchen Stelle wäre ein Machtwort des Ministerpräsidenten nötig. Wenn die Voraussetzungen, die eine Mehrheit mit der Ablehnung des Antrages der Stadt auf Bildung eines Stadtkreises verknüpft, nicht gegeben sind, entfallen ja wohl auch die Grundlagen des damaligen Landtagsbeschlusses und wir müssen uns als Bürger der Stadt fragen, ob nicht möglichst rasch der Antrag auf Kreisfreiheit neu gestellt werden muss.
Johannes Schempp, Reutlingen