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Aktuell Leserbrief

»Musk ante portas«

Elon Musks Rolle im deutschen Wahlkampf ()

Es empört mich zutiefst, wenn ein Multimilliardär und Demokratieverächter sich anmaßt, die Institutionen eines demokratischen Staates lächerlich zu machen und wenn er die gewählten Repräsentanten dieses Staates glaubt beleidigen und beschimpfen zu dürfen. Er beleidigt damit alle Bürger unseres Staates. Sein unfassbarer Reichtum geht offensichtlich einher mit einer unfassbaren Dreistigkeit. Aber seine Gesprächspartnerin steht ihm in nichts nach, wenn sie Hitler zu einem Kommunisten macht.

Nun genießt, wie der Kanzler richtig bemerkt, auch ein Milliardär in unserem Rechtsstaat das Privileg, seine Meinung frei zu äußern! Es handelt sich bei den Einlassungen von Musk aber eigentlich nicht um Meinungsäußerungen, sondern um einfache Pöbeleien, die jeden Anstand und Respekt auch vor dem politischen Gegner vermissen lassen.

Musk ist damit nicht nur der Repräsentant, sondern auch der Mitinitiator einer Bewegung, in der Lügen (Alternative Wahrheiten!), persönliche Beleidigungen, »Fake News« und massenhaft Falschmeldungen (vor allem in den Sozialen Medien) zum alltäglichen Geschäft gehören. Weil Musk nicht irgendwer ist, sondern einen unfassbaren Reichtum besitzt, entstehen für ein demokratisches Staatswesen zwei ernste Gefahren.

Zum einen kann ökonomische Macht in Medienmacht umgesetzt werden. Sie wird damit zur politischen Meinungsmacht, zu manipulativer Herrschaft. Zum anderen wird der unsagbare Reichtum von vielen hemmungslos hofiert. Kaum taucht ein solcher Tycoon auf, beginnt auch schon der »Tanz um den goldenen Ochsen«. Schnell finden sich auch willige Helfer, die nicht nur teilhaben wollen, sondern auch beim Umbau unseres Staatswesens im Sinne eines Manchesterkapitalismus gerne mithelfen.

Die erste Gefahr ist längst real, und sie ist täglich, vor allem in den Sozialen Medien, erlebbar. Der Lügen, der Hetze, der Verleumdungen und der Halbwahrheiten im Netz wird man kaum mehr Herr. Mithilfe von Computerprogrammen (chat bots) werden Informationen und Falschinformationen tausendfach in Umlauf gesetzt und konsumiert, bis eine gewisse Meinungsführerschaft erreicht ist. Sogenannte »Influencer« tragen noch zusätzlich dazu bei, Einflüsterungen zu glauben und fremdbestimmt zu handeln.

Die zweite Gefahr zeigt sich exemplarisch an Christian Lindner. Die Faszination des Geldes und eines brachialen Wirtschafts- und Finanzkonzepts geht bei ihm so weit, dass er sich Elon Musk mit folgenden Worten andient: »Elon, ich habe eine politische Debatte initiiert, die von deinen und Mileis Ideen inspiriert ist«. Um zu zeigen, »wofür die FDP steht«, bietet Lindner ein Treffen mit Musk an. Ich bin jetzt nicht darüber informiert, ob sich die beiden Giganten schon getroffen haben. Die Situation im deutschen Wahlkampf ist, nicht zuletzt durch den Eintritt eines milliardenschweren Wahlhelfers, besonders prekär geworden. Aber was ist zu tun?

Im ersten Fall bleibt nichts übrig, als zu erinnern, dass jeder und jede einen Kopf auf den Schultern trägt, den man einsetzen kann. Um mit Immanuel Kant zu sprechen: »sapere laude« – »habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!« Und weiter: »Unmündigkeit ist die Unfähigkeit, seinen eigenen Verstand ohne die Führung eines anderen zu gebrauchen!« Na dann, lasst uns mündige Bürger sein!

Im zweiten Fall will ich keine Wahlempfehlung aussprechen.

 

Prof. Dieter Mutschler, Reutlingen