Der besondere Schutz von Streuobstwiesen ist in Baden-Württemberg ein Ergebnis des Kompromisses nach dem Volksbegehren ProBiene im Jahr 2020. Viele haben wohl nach Corona-, Wirtschafts- und Kriegskrisen wieder vergessen, wie dramatisch die Erkenntnisse über die Verluste an Bienen, Wildbienen und Insekten überhaupt in unserer ehemals so artenreichen Kulturlandschaft waren. Was Naturschutzverbände über Jahrzehnte dargestellt hatten, wurde anhand der Krefeld Studie deutlich sichtbar und durch die Presse vermittelt.
Dass Streuobstwiesen zu den artenreichsten Lebensräumen gehören und für die Naherholung sowie ein erfreuliches Wohnumfeld besonders wertvoll sind, ist ebenfalls lange bekannt. Dennoch sind große Teile von ihnen in den letzten Jahrzehnten verschwunden. Die Flächennutzungsplanung in Reutlingen hatte ursprünglich den Verlust von mehreren Hundert Obstbäumen vorgesehen. Daher haben sich die Naturschutzverbände in Reutlingen von Anfang gegen die Ausweisung von Baugebieten in Streuobstbeständen im Entwurf des Flächennutzungsplanes von 2018 ausgesprochen und gezeigt, welche Alternativen es gibt. Eindrücklich wurde dies im Film von Sabine Winkler »Kein schöner Land« dargestellt. Ihr Film hatte große Resonanz und Unterstützung erhalten.
Vielen Menschen ist bewusst, dass artenreiche Lebensräume der Natur auch für unsere Gesundheit eine wesentliche Grundlage sind und dass man diese nicht den Interessen weniger Einzelner opfern sollte. Wohnraum sollte dort geschaffen werden, wo er auf wirtschaftliche, sparsame und nachhaltige Weise entstehen kann. Dafür braucht es in Mittelstadt keine Hochhäuser, sondern ortsgerechten Geschosswohnungsbau, bei dem auf das Umfeld und auch auf die Natur Rücksicht genommen wird. Ortschaftsräte, denen das Wohl aller ihrer Bürger im Ort wichtig ist, sollten sich hierfür einsetzten und ihre Kontakte nutzen, damit Leerstand und Spekulation mit Bauland nicht zum Verlust der schönen Streuobstwiesen am Ortsrand führt. Dann wird man auch den seltenen Steinkauz am Ortsrand von Mittelstadt in Zukunft hören und vielleicht auch einmal sehen können.
Thomas Höfer, Nabu, Reutlingen