In seinem Kommentar auf Seite 3 des GEA vom 14. März bemängelt Rudi Wais, dass einige Parteien – gemessen an ihrem Wahlergebnis – ein überproportionales Gewicht in den jüngsten Verhandlungen im Bundestag bekämen. Er verwendet hier sogar Begriffe wie »Erpressung«, »Hypothek einer stark rot-grün gefärbten Politik«, »Kuhhandel« und »zu forsches Auftreten« und versteigt sich in den Ratschlag an die Grünen, angesichts der Realitäten »mehr Demut« zu zeigen.
Dabei blendet Herr Wais offensichtlich komplett aus, um welche bedeutsamen Entscheidungen es letzte und diese Woche im Bundestag ging – um nichts Geringeres als eine Verfassungsänderung. Glücklicherweise kann man unsere Verfassung nur mit einer starken Zweidrittelmehrheit ändern. Dafür muss man dann unter Umständen auch kleinere Fraktionen mit ins Boot holen.
Aber wie macht der unerfahrene Herr Merz das? Er spricht den Grünen völlig unangemessen lediglich auf den Anrufbeantworter (warum nicht noch »fortschrittlicher« per Fax, Herr Merz?). Was für ein respektloses Armutszeugnis!
In Wahrheit stünde eher der CDU/CSU und Herrn Merz deutlich mehr Demut gut angesichts der gespielten Überraschung über die geopolitischen Herausforderungen und die klammen Kassen und der wählerbetrügenden Kehrtwende. Wie häufig wurde Herr Merz vor der Wahl darum gebeten, sich endlich ehrlich zu machen und zu bekennen, dass er nach der Wahl die Schuldenbremse lockern müsste, um seine politischen Ziele auch nur im Ansatz ins Auge fassen zu können. Gebetsmühlenhaft erklärte er die Schuldenbremse als »sakrosankt« und zeigte damit einen ungeheuren Realitätsverlust.
Die Versuche insbesondere der Grünen in der Ampelregierung, für die absolut nötigen Investitionen gemeinsam mit der CDU/CSU-Opposition eine Reform der Schuldenbremse zu verhandeln, verurteilte er mehrfach scharf. Absolut angemessen wäre es jetzt, sich für seine vorübergehende Realitätsferne aufrichtig zu entschuldigen.
Die neuen Schulden können für jeden Bürger nur mit großen Schmerzen akzeptiert werden – angesichts des zurückliegenden massiven Investitionsstaus sind sie leider unumgänglich. Ich bin den Grünen allerdings sehr dankbar dafür, in das Finanzpaket beharrlich, aber konstruktiv zwei für unsere Zukunft ganz wesentliche Aspekte mit eingebracht zu haben, die in den Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD aus unerklärbaren Gründen völlig ausgeblendet wurden: die Verhinderung, zusätzliche Schulden nur für das Stopfen von Haushaltslöchern und für Wahlgeschenke wie Steuersenkungen zu verwenden, und sie an neue Infrastrukturinvestitionen zu binden, sowie die Ausweisung von Teilen des Sondervermögens für überfällige Investitionen der Bundesländer und Kommunen und vor allem für vorbeugende Klimaschutzmaßnahmen. Ohne Investitionen in den Klimaschutz wird es für nachfolgende Generationen noch um ein Vielfaches teurer, die Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen.
Dr. Martin Schöfthaler, Betzingen