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Aktuell Leserbrief

"Mahnwache ist Ausdruck des blanken Entsetzens

Zum Artikel »Rund 350 gegen die CDU und Merz« vom 1. Februar (per E-Mail)

Sehr geehrte Frau Gaiser, nach dem GEA-Bericht vom 1. Februar über die Mahnwache zur Politik der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sind Sie verwundert über die Art und Weise des Austauschs, der Verwendung des Begriffs »Mahnwache« und dass Sie von der Demo nur durch Zufall erfahren haben. Zur Teilnahme an der Mahnwache waren alle Bürgerinnen und Bürger via Presseankündigung eingeladen, natürlich auch Sie. Mit einer so großen Teilnehmerzahl hatten wir ursprünglich allerdings gar nicht gerechnet. Zudem gab es, wie im GEA-Bericht zu lesen, Briefe unsererseits vorab an alle Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Reutlingen, in denen wir davor warnten, den Entschließungsantrag und das sogenannte »Zustrombegrenzungsgesetz« mit den Stimmen der AfD zu verabschieden.

Der Begriff der Mahnwache ist, entgegen der im Artikel formulierten Annahme, auch nicht auf das Gedenken an Holocaust und Weltkrieg beschränkt. Er ist beschrieben als »eine friedliche Demonstration, bei der auf eine als gesellschaftlichen Missstand wahrgenommene Situation hingewiesen werden soll« (Wikipedia). Die Mahnwache ist somit kein klassisches Austauschformat, wie beispielsweise die Podiumsdiskussion in der VHS am 7. Februar. Vielmehr war sie Ausdruck des blanken Entsetzens über die von Herrn Merz gewählte Vorgehensweise, der ohne Not die Unterstützung der AfD in Kauf nimmt.

Und vielleicht geht die Assoziation am Ende dennoch in die richtige Richtung? Denn die Annäherung der CDU an die AfD, die durch die Aussage von Herrn Merz »Es ist egal, wer zustimmt« unterstrichen wird, ist absolut besorgniserregend. Dass er, entgegen aller Versprechen und Warnungen, diesen Weg dennoch beschritten hat, weckt wirklich schreckliche Erinnerungen an vergangene Zeiten. Und der Jubel der AfD bestätigt unsere Sorge.

Inhaltlich denken wir, dass die Verschärfung der Asylgesetzgebung, insbesondere die Verhinderung des Familiennachzugs, keine Taten verhindert, deren Ursprung – wie in Aschaffenburg oder Magdeburg – eine psychische Erkrankung ist. Hier gibt es keinen Unterschied zwischen geflüchteten Menschen und Deutschen. Wir erinnern dazu nur an die Messerattacke eines Theologen in Tübingen auf eine Frau in einer Buchhandlung, die diese – Gott sei Dank – überlebt hat. Es wäre doch absurd, deshalb Theologen als potenzielle Gefährder zu betrachten!

Wir wünschen uns, dass keine Zeit mehr mit Symbolpolitik verschwendet wird. Die so gewonnene Zeit und Energie können wir dann verwenden, um nach tatsächlichen Lösungen zu suchen, zum Beispiel den Ausbau unseres Gesundheitssystems, um psychisch erkrankte Menschen besser zu betreuen und zu unterstützen.

 

Hans-Peter Häußermann für den AK Flucht und Asyl Reutlingen, und Verena Nerz für das Bündnis Menschenrechte, Reutlingen