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Aktuell Leserbrief

»Leidiges Thema um eine traurige Episode reicher«

Notfallpraxis Münsingen (per E-Mail)

Die Schließung der Notfallpraxis in Münsingen ist ein leidiges Thema der lokalen Gesundheitsversorgung und nun um eine traurige Episode reicher. Vergangene Woche lehnte der Landtag den Antrag zum Erhalt der Notfallpraxen aus der Feder der SPD-Fraktion ab. Obwohl man den lokalen Abgeordneten Manuel Hailfinger (CDU) und Cindy Holmberg (Grüne) zugutehalten muss, dass sie sich entweder enthalten haben oder der Abstimmung ferngeblieben sind, ist ihre Glaubwürdigkeit in diesem Belang stark beschädigt.

Im Kontext meines persönlichen Engagements im Roten Kreuz ist für mich die Schließung der Notfallpraxen ein hoch relevantes Thema: Die Praxis in Münsingen ist ein bedeutender Baustein unserer lokalen Gesundheitsversorgung. Sie schließt die Lücken ärztlicher Versorgung am Wochenende und entlastet gleichzeitig die Notaufnahmen der umliegenden Krankenhäuser, in denen die Münsinger Patienten stattdessen aufschlagen würden.

Die Notaufnahmen operieren ohnehin an der Auslastungsgrenze und sind nicht dafür gedacht, etwas anderes als medizinische Notfälle zu behandeln. Die gute Erreichbarkeit von Münsingen sorgt auch für ein vermindertes Bedürfnis der Kranken, leichtfertig den Notruf zu wählen. Auch dieser ist nur für tatsächliche Notfälle gedacht und keine unendliche Ressource. Die Schließung der Notfallpraxis belastet also alle Teilbereiche der medizinischen Versorgung in der Region. Sei es nun der ehrenamtlichen Helfer vor Ort, die Krankenwagenbesatzungen oder das Personal in den regionalen Notaufnahmen.

Bis vor Kurzem schien dies auch noch den beiden Abgeordneten des Wahlkreises Münsingen-Hechingen durchaus präsent. Beide setzten sich vehement für den Erhalt der Münsinger Praxis ein, auch jetzt noch leicht im Internet recherchierbar und keineswegs zurückhaltend. Ein Schelm, wer dabei einen Zusammenhang mit der zurückliegenden Bundestagswahl sieht.

Wer jetzt reflexartig auf die Fraktionsdisziplin verweisen möchte, die es den beiden Abgeordneten unmöglich gemacht hat, für den SPD-Antrag und somit gleichzeitig für Münsingen zu stimmen, dem möchte ich gerne die Abgeordnete Sabine Kurtz von der CDU vorstellen. Diese hat entgegen der Fraktionsdisziplin der CDU für den Antrag der SPD gestimmt und damit gezeigt, dass man auch sein Gewissen in solchen Abstimmungen zurate ziehen kann.

Der Kern des Abgeordnetendaseins ist nicht das möglichst fraktionstreue Verhalten. Der Abgeordnete ist nur seinem Gewissen verpflichtet und wenn er wieder gewählt werden möchte, auch dem Willen seiner Wählerschaft. In Anbetracht des vorausgegangenen Engagements von Hailfinger und Holmberg hätte ich ein differenziertes Verhalten erwartet und gehe davon aus, dass ein Großteil der 22.000 Unterzeichner der Notfallpraxis-Petition im Großraum Münsingen, das ebenfalls so sieht.

Besonders nach der öffentlichkeitswirksamen Übergabe der Unterschriften in Anwesenheit der beiden Abgeordneten, hat das jetzige Abstimmungsergebnis ein übles »Gschmäckle« und ist ein Schlag in das Gesicht der Region, die nach der Schließung der Geburtenstation in Münsingen einer weiteren Verstümmelung ihrer Gesundheitsversorgung ins Auge blicken muss.

 

Yannick Hummel, Römerstein-Zainingen