Es ist sicher keine triviale Herausforderung, aus der Fülle der PR-gehypten Wahlprogramme priorisierte Politikfelder zu identifizieren. Und dann noch in der Hoffnung, sie in Realpolitik umgesetzt zu sehen. Für meine Wahlentscheidung am 23. Februar definiere ich einen zentralen Prüfstein: Wie steht ihr zum Thema Krieg und Frieden? Denn ohne Frieden ist alles nix. Und dass, obwohl das Wort »Friede« in weiten Teilen des politischen, medialen und intellektuellen Biotops geächtet, diffamiert oder mit der Etikette Naivität versehen wird. Trotzdem stehen wir an einem Punkt, dass die globale Landkarte mehr Kriegs- als Friedenszonen ausweist. Und schon Göring kannte die Logik: »Das Volk will keinen Krieg. Und deswegen braucht man gewaltigste Indoktrinations- und Propagandamethoden.«
Grundlage von Krieg ist das herrschende »Faustrecht« des Stärkeren und eine absolute Rechtsverachtung. Der israelische Genozid in Gaza und der Ukraine-Krieg stehen exemplarisch für die Verhöhnung des Völkerrechts im globalen Maßstab.
Meine Entscheidungsfrage für den 23. Februar lautet: Gibt es statt Friedensverhandlungen, Diplomatie und Abrüstung einen Marsch in eine neue deutsche »Kriegstüchtigkeit«? Und wer repräsentiert diese gegen das Ziel einer gesamteuropäischen Friedensordnung? Denn der aktuelle Prozess wachsender Militarisierung hat Konsequenzen: Wachsende Rüstungs-/ Kriegskosten zulasten der Grundbedürfnisse der Zivilgesellschaft. Wer wie Merz, Habeck und Co. die Trump-Forderung (5 Prozent des Bruttoinlandprodukts) mit 3,5 Prozent (160 Milliarden Euro) bedient, ist entweder ein Vasall oder Hasardeur.
So ist aktuell die Absprache zwischen SPD/CDU/Grünen/FDP (kurz vor der Wahl) für ein zusätzliches »Waffenpaket für die Ukraine« (3 Milliarden Euro) nicht nur kontraproduktiv zu einem sich abzeichnenden Verhandlungsprozess zwischen Trump und Putin, sondern eine Mogelpackung des Modells »Sondervermögen« unter Beibehaltung der Schuldenbremse (Union). Während Österreich, Ungarn, Kroatien, Slowakei und Rumänien ihre Kriegsunterstützung kippen, halten Deutschland, Großbritannien, Frankreich trotz der Nato-Niederlage am »Siegfrieden« fest. Und bei uns lebt die »Taurus«-Fraktion (Merz, Habeck, Hofstätter, Strack-Zimmermann und Co.) unverblümt weiter.
So erwarte ich von den wahrscheinlichen Koalitionsvarianten ein Weiter-so. Im Doppelpack mit den Grünen wird ein wahrscheinlicher Kanzler Merz den Marsch in die »Kriegstüchtigkeit« forcieren. Kaum ist das Nato-2-Prozent-Ziel erreicht, fordert Ex-Kriegsdienstverweigerer Habeck satte 3,5 Prozent. Während die AfD mit 5 Prozent auf Trump-Niveau läuft, inszeniert sich Scholz in der Rolle des »Friedenskanzlers« als das »vernünftigere kleinere Übel«. Als wäre sein Kreuzweg über Helme, Haubitzen, Leopards, US-Mittelstreckenraketen nicht skurril genug, um die »Taurus«-Imagepflege zu konterkarieren. Somit ist der Marsch in die »Kriegstüchtigkeit« für beide Koalitionsvarianten fixiert.
Deswegen formuliere ich für meine eigene Wahlentscheidung folgende Wahlprüfsteine, die mit den zentralenfriedenspolitischen Zielen der »Reutlinger Initiative für Frieden und Abrüstung« (RIFA) kompatibel sind: Unterstützung von Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg; nein zu Taurus-Lieferungen; keine Stationierung von US-Mittelstrecken-Raketen; keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete; Diplomatie/Verhandlungen statt weitere Kriegseskalationen. Denn: Krieg treibt nur die Profite der Rüstungsindustrie, zerstört Lebensräume und Menschenleben, verschleißt gesellschaftliche Ressourcen et cetera. Die Entscheidungsfrage lautet: Wollen wir den totalen Zivilisationsbruch weiterer Kriegseskalationen oder einen Weg zur Friedenssicherung. Selten zuvor war die Kant’sche Logik »Zum ewigen Frieden« so dringlich auf der Tagesordnung!
Dr. Günter Ludwig, Reutlingen