Wenn man sich das heutige deutsche Krankensystem mit der Zweiteilung in gesetzliche und private Krankenversicherung anschaut, dann fragt man sich, warum gerade die beiden Parteien mit dem C im Namen immer noch auf dem mittelalterlichen Standpunkt von Herren und Knechten, von reich und arm, bestehen.
Das auf Bismarck beruhende System wurde früher in vielen europäischen Ländern übernommen. Heute hat es kein einziges europäisches Land mehr. Es wird außer in Deutschland weltweit nur noch in Chile angewendet. Warum wohl?
Es wird doppelt so viel operiert wie in Frankreich und England. Ja, sind die deutschen Herzkranzgefäße (in Klammern wird die Anzahl der deutschen Operationen zum OECD-Durchschnitt im Jahre 2015 angegeben: 295 zu 177), Hüftgelenke (295 zu 154), Knieprothesen (213 zu 122), Brusterhaltung (232 zu 108) und Augen (178 zu 118) schlechter als in England und Frankreich? Dann wäre ja das deutsche Gesundheitssystem a priori miserabel.
Es liegt natürlich an den Fallpauschalen. Mit bestimmten Quartalszahlen können einige Chefärzte ihr Gehalt aufbessern und auch dem niedergelassenen Kollegen noch ein Zubrot für seinen Tipp zukommen lassen. Natürlich macht die Vielzahl der Operationen unser System besonders teuer – aber nicht besser.
Im OP-Atlas des WDR(19.06.2017) kann man lesen: »Große regionale Unterschiede: Warum werden in den alten Bundesländern deutlich mehr Kaiserschnitte gemacht als in den neuen? Warum werden erstaunlich viele Kniegelenksprothesen in Bayern eingebaut? Warum werden in Osthessen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt fast dreimal mehr Menschen am Rücken operiert?«
Die deutsche Pharmaindustrie muss ihre Testergebnisse im Gegensatz zu den USA nicht veröffentlichen. Sie können im ersten Jahr bei Neumedikamenten den Preis selbst festsetzen. Manchmal werden Nuancen geändert und der Preis steigt um das Tausendfache ohne Mehrnutzen. Bei Generika gibt es Engpässe, weil sich der Vertrieb nicht mehr lohnt. Da könnte doch der Staat die Produktion übernehmen.
Viele Ärzte werden bei Diagnosen von Krankenkassen beeinflusst – und sollen die gesundheitliche Lage ihrer Patienten auf dem Papier schlechter darstellen, als sie ist. Die Gesetzesverschärfung, die das verhindern sollte, scheint zu verpuffen.
Die Zweiteilung in private und gesetzliche Versicherte ist nicht mehr zeitgemäß. Warum muss ein gesetzlich Versicherter zwei Wochen auf einen Facharzttermin warten? Warum muss die gesetzliche Krankenkasse einen Versicherten der Privaten Krankenkasse, der seine Beiträge nicht mehr bezahlen kann, subventionieren? Warum müssen wir in einem unsinnigen System Tausende von überflüssigen Operationen mitfinanzieren? Prof. Lauterbach von der SPD will ja mit der Bürgerversicherung nicht das ganze System über den Haufen werfen, sondern es an die Gegebenheiten anpassen.
Ekkehard Gronwald, Reutlingen