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Aktuell Leserbrief

»Kinder und Enkel werden Versäumnisse ausbaden«

Klimawandel (per E-Mail)

»Kinder haften für ihre Eltern« wird gegenwärtig gewarnt, merkwürdigerweise auf einem Wahlplakat. Als ob solche Warnungen irgendetwas nützen würden. Tatsächlich wird es nämlich darauf hinauslaufen, dass die Kinder und Enkel die Folgen unserer Bequemlichkeit und Versäumnisse in den letzten Jahrzehnten werden ausbaden müssen.

Ein vergammeltes und dadurch zur Pünktlichkeit unfähiges Bahnsystem, das inzwischen zum Gespött der Bürger und Nachbarländer geworden ist. Brüchige Brücken, die auch ohne Belastung von allein zusammenkrachen. Ein Industrieland voller Gas- und Ölheizungen, vielfach noch hastig eingebaut aus Angst vor einem Gespenst, das angeblich in Heizungskellern spuken soll. Fossile Beheizung der Atmosphäre, da der Großteil des Gebäudebestands weiterhin ungedämmt ist. Immer noch fehlendes Tempolimit auf deutschen Straßen, obwohl die Mehrheit der Bürger dafür ist. Eine Autoindustrie, die unbeirrt auf Verbrenner-SUVs setzt, während in Norwegen über 90 Prozent der neu zugelassenen Autos mit Strom fahren und China Marktführer bei Elektroautos ist.

Nahezu tägliche Berichte vom ab-schmelzendem Grönland-Eisschild. An-stieg der Meeresspiegel, Rückgang der Alpengletscher und gefährdete Trinkwasserversorgung. Der Jetstream lässt nach, mit der Folge immer häufigerer Extremwetterlagen. Ein Expertenrat, der hilflos darauf hinweist, dass Deutschland die erforderlichen Maßnahmen viel zu lang vor sich her geschoben hat, um die vereinbarten Klimaziele noch erreichen zu können. Und das alles über 50 Jahre nach dem Bericht des Club of Rome zu den »Grenzen des Wachstums«! Die damaligen Prognosen zum Klimawandel wurden von allen Klimaforschern bestätigt. Nur hat uns inzwischen auch die Wirklichkeit eingeholt: Stark-regen, Überschwemmungen, jahrelang an-haltende Dürrekatastrophen. Immer mehr Menschen, die in ihrer Heimat nicht mehr überleben können und als Klimaflüchtlinge ein neues Zuhause suchen.

Doch in Deutschland darf angeblich nichts von den weltweit vagabundierenden Billionengeldern dazu genutzt und investiert werden, um überfällige Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Grund dafür ist die Fetischisierung einer staatlichen Investitionsbremse (genannt »Schuldenbremse«). Stattdessen erklärt man junge Leute, die verzweifelt warnen, zu »Klima-Kriminellen« und bedroht sie mit Gefängnis. Am allerschärfsten: Ein Wahlkampf, in dem trotz alldem der Klimawandel nahezu völlig ignoriert wird. In ein paar Jahren werden unsere Kinder uns mit Recht fragen: »Was ihr uns überlassen habt, ist wie ein unsaniertes Haus. Vor lauter Angst, euch durch Investitionen zu verschulden, habt ihr alles Wesentliche kaputt gehen lassen, und einiges wurde sogar aktiv zerstört. Die Klimaschäden gehen ins Unermessliche und sind nicht mehr zu reparieren. Ihr wusstet davon und hattet ein halbes Jahrhundert Zeit, um gegenzusteuern. Jetzt erklärt uns bitte: Was habt ihr euch dabei eigentlich gedacht?«

 

Dr. Hermann Mezger, Reutlingen