Ist Trump ein Schutzgelderpresser? Die Metapher fiel mir sofort ein, als ich am Dienstag die Nachricht hörte, dass Trump die Ukraine-Militärhilfe aussetzt. Doch diese Metapher passt nicht ganz. Schutzgelderpresser verlangen Geld für den Schutz vor ihnen selbst. Die Gefahr geht aber nicht von Amerika, sondern von Russland aus. Man könnte aber fast meinen, die beiden arbeiten neuerdings zusammen, um die Ukraine auszubeuten.
Das Amerika für seine Hilfe eine Gegenleistung erwartet, ist noch verständlich, und Selenskyj hat ja selber die Bodenschätze ins Spiel gebracht – mit dem Hintergedanken, dass Amerika dann auch das Land beschützt. Aber dass Trump keinen Schutz mehr anbietet, ihn jetzt sogar schlagartig einstellt, ist Erpressung pur, um einen Diktatfrieden zu erreichen. Trumps gläubige Wähler sollten ihn vielleicht mal an den barmherzigen Samariter erinnern, der half ohne Gegenleistung und Erpressung. Aber auch ohne diese hohen Maßstäbe ist jedem klar, dass es hier um unterlassene Hilfeleistung geht.
Da Trump bei Putin, seinem Kumpel, nichts erreicht hat und ihn nicht unter Druck setzen will, setzt er jetzt Selenskyj unter Druck, das erscheint einfacher. Weil der ohne Sicherheitsgarantien nicht unterschreiben wollte, beleidigt er ihn als Diktator und sagt, er wäre selbst schuld an seiner Lage. Das ist Täter-Opfer-Umkehr in Reinkultur.
Trump wollte den Krieg an nur einem Tag beenden und will seinen markigen Sprüchen jetzt Taten folgen lassen. Er nimmt sich keine Zeit, wenigstens eine halbwegs gerechte Lösung zu erreichen. Mit Diplomatie hat das nichts mehr zu tun. Hauptsache, er steht als Friedenstifter da. Was danach geschieht, wenn Putin Zeit bekommt, weiter aufzurüsten, ist ihm egal. Er wittert den großen Deal, das Land gemeinsam mit Putin auszuplündern. Wenn er damit durchkommt, wäre das die zweite Zeitenwende, die wir verdauen müssen.
Vor der Wiederwahl Trumps dachten wir noch, wir müssen Putin zusammen mit den USA aufhalten, was schwer genug war. Jetzt müssen wir auch noch Trump bremsen, was fast unmöglich erscheint. Aber was ist die Alternative? Nur noch zuschauen und sich selber der unterlassenen Hilfeleistung schuldig zu machen? Wir können zwar nicht alles Unrecht der Welt aufhalten, aber wenn direkt vor unserer Haustüre unsere alte Werteordnung mit Füßen getreten wird, geht es uns vielleicht doch etwas an.
Bernd Huse, Trochtelfingen