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Aktuell Leserbrief

»Frieden – aber wie?«

Aufrüstung und Krieg (per E-Mail)

Es ist immer das Gleiche: Ob bei Vorträgen wie kürzlich in der VHS (Heribert Prantl, »Den Frieden gewinnen« und Jonas Tögel, »Kognitive Kriegsführung«) oder bei Friedensdemonstrationen – grauhaarige Köpfe, wohin man schaut. Eben die Generation, die bereits in den 80er-Jahren gegen Aufrüstung und Krieg auf die Straße gegangen ist.

Wo aber sind die Jungen, um deren Zukunft es doch geht? Gefesselt und gesteuert vom Smartphone, orientierungslos und erschöpft durch die Belastungen der Coronajahre, unter dem Druck, ihr Leben trotzdem irgendwie auf die Reihe zu bekommen, kanalisiert sich ihr noch verbliebenes Empörungspotenzial in gelegentlichen regierungskonformen Kundgebungen. Frieden ist nicht sexy und Krieg ist (noch?) weit weg, in irgendeinem mehr oder weniger fernen Land, in dem gerade freundlicherweise mal wieder »unsere Demokratie« für uns verteidigt wird.

Dass dort auf beiden Seiten Menschen, die sich unter anderen Umständen wahrscheinlich prima verstehen würden, erst durch Hetze und Halbwahrheiten dazu gebracht wurden, sich gegenseitig zu töten, geht im medialen Dauerfeuer gerne unter. Hinter dem Werben fürs Sterben steht stets eine finanzkräftige Lobby. Es sind jedoch nicht diese bellizistischen Politiker und Rüstungsaktionäre, die dann tot oder verstümmelt aus einem Krieg zurückkehren, sondern unsere Kinder.

Aber müssen wir uns nicht gegen einen Aggressor wehren, und ist Angriffsfähigkeit nicht die beste Verteidigung? Gemäß dieser Denkweise sollen 2026 hier in Deutschland wieder atomar bestückbare US-Mittelstreckenwaffen stationiert werden. Provoziert man nicht genau so einen Erstschlag und somit die Selbsterfüllung der Prophezeiung »Der Russe wird uns angreifen!«?

Wie würden Sie als Befehlshaber der Gegenseite handeln? Dass diese Stationierung dem Frieden dient, bezweifeln daher sowohl die Friedensbewegung als auch erfahrene Vertreter des Militärs. Dringend nötig wäre Diplomatie, aber diesbezüglich hat sich die EU in den vergangenen Jahren leider wirklich nicht mit Ruhm bekleckert.

Man mag die »Deals« und die dahinterstehende Motivation des derzeitigen US-Präsidenten zur Ausbeutung der Ukraine durchaus kritisieren, aber man möge sich bitte nicht vormachen, dass die Vorgängerregierung etwas wesentlich anderes vorhatte. Sprach nicht sogar »unser« Kiesewetter von »unserem Lithium« für »unsere Energiewende«? Ging es vielleicht auch hier nie um Demokratie und Freiheit – »bis zum letzten Ukrainer«? Wie glaubwürdig und real ist das derzeit auf allen Kanälen ventilierte neue Bedrohungsszenario tatsächlich? Nach all den bewiesenen Kriegslügen in sämtlichen Kriegen seit über 100 Jahren – was stimmt diesmal wirklich?

Und wie erreichen wir nun die sedierten Jugendlichen? Wie machen wir ihnen klar, dass es im Falle eines großen Krieges auch kein Klima mehr zu retten gibt? Dass auch die eifrigsten »Gegen Rechts«- und »Für unsere Demokratie«-Aktivisten letztendlich auf irgendeinem Schlachtfeld ihr junges Leben lassen sollen? Dass es eine lebenswerte Zukunft nur durch ein ausdrückliches »Nein« zu Krieg und Militarisierung geben kann?

Wenn uns das nicht gelingt und wir dann eines Tages vielleicht aus verstrahlten Ruinen hervorkriechen, können wir unseren Kindern und Enkeln zumindest sagen: »Seht Ihr, das haben wir gemeint!«.

 

Andrea Scheib, Reutlingen