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Aktuell Leserbrief

»Fehlendes integratives Verkehrskonzept«

Mobilität (per E-Mail)

Mir fällt schon seit Längerem auf, dass es immer zeitintensiver und nerviger wird, wenn man sich auf den Straßen in und um Reutlingen bewegen muss – im schlimmsten Fall mit dem Auto, welches in Reutlingen offenbar zum »Stadtfeind Nummer 1« erklärt wurde. Falls es Leute geben sollte, für die das neu ist, empfehle ich, sich einmal mit dem Auto an einem Werktag nach 16 Uhr in den Bereich zwischen Charlotten-, Bismarck-, Kaiser- und Gartenstraße beziehungsweise den entsprechenden Querstraßen zu begeben. Der Mensch, der das nicht muss, wird sich fragen, warum er sich freiwillig in dieses Chaos begeben hat. Und wem der »Thrill« mit Stau und den Fahrradvorfahrtsregelungen auf der Charlottenstraße und der Planie dann immer noch nicht reicht, der kann zum Abgewöhnen noch den Ledergraben befahren, idealerweise wenn die rechte Spur wegen Feinstaubmessung rot-gesperrt ist ...

Die berühmte »Freude am Fahren« will bei mir schon seit Jahren nicht mehr so recht aufkommen – aber besonders in Reutlingen wird für mich Autofahren zusehends zur Herausforderung beziehungsweise Zumutung, zumal ich in aller Regel ohnehin nicht zum Spaß, sondern beruflich mit dem Auto unterwegs bin und meistens Ware über Strecken zu transportieren habe, die mit dem in den ökologisch so achtsamen Zirkeln hochgelobten Lastenfahrrad – ob mit oder ohne »E« – nicht bewältigbar sind.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mit meiner Sicht der Dinge vor allem bei den Leuten, die ein Auto oder einen Transporter aus beruflichen Gründen benötigen, nicht alleine bin. Aber bei uns sieht es ja leider so aus, dass insbesondere die Leute, die einer »geregelten Beschäftigung« nachgehen, die keine notwendige Nutzung von Kraftfahrzeugen beinhaltet oder gar voraussetzt, für alle anderen, die nicht zu der erlauchten Kaste der »Fahrradfahrenden« gehören, Politik machen.

Das Wichtigste für diese Gruppierung scheint zu sein, von keinem Auto gestört zu werden, während sie auf dem Rad sitzen und auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle oder zurück noch schnell ihre Erledigungen im Nahbereich machen und somit ihren Tagesablauf so optimal und kurz wie möglich gestalten. Für die anderen Arbeitnehmer, die den geschützten Raum ihres Homeoffice am liebsten gar nicht mehr verlassen wollen, stellt sich ohnehin die Frage, ob sie ein eigenes Auto überhaupt noch brauchen und sie gehören daher wahrscheinlich auch überwiegend zu den Unterstützern einer möglichst autofreien Stadt. Alle anderen – mich eingeschlossen – schauen wahrscheinlich ziemlich bedröppelt an sich runter und hadern mit ihrem offenbar fragwürdigen, beruflichen Werdegang.

Nachdem ich ohnehin davon ausgehe, dass man mich für den Text der Polemik bezichtigen wird, will ich mit einer absolut ernst gemeinten Frage beziehungsweise Bitte an die Stadtverwaltung, die nach meinem Verständnis auch für den Straßenverkehr in der Stadt verantwortlich zeichnet, schließen: Ich wäre sehr dankbar, wenn mir jemand aus dem entsprechenden Zuständigkeitsbereich einmal das Verkehrskonzept der Stadt Reutlingen erklären könnte. Ich bin ein halbwegs intelligenter Mensch, aber auch nach intensiver Betrachtung und reiflicher Überlegung hat sich dies mir bisher nicht erschlossen.

 

Martin Benz, Reutlingen