In der Diskussion um das aktuelle Gebührenmodell zur Kita-Betreuung in Reutlingen betont die Stadt immer die soziale Gerechtigkeit des Systems. Beschäftigt man sich jedoch tiefer mit dem Thema und der aktuellen Verordnung, wird schnell klar, dass man hier nicht von sozialer Gerechtigkeit sprechen kann.
Für viele Fraktionen und die Verwaltung scheint es sicherlich einfacher zu sein, die zahlreichen Eltern, die seit über einem Jahr Alarm schlagen, auszublenden und das Feindbild des nörgelnden Besserverdieners aufzubauen. In ihren Augen werden schließlich nur diejenigen belastet, die es sich in diesen schweren Zeiten der angespannten Haushaltslage locker leisten können. Man versucht sich das zumindest krampfhaft einzureden.
Dass in den Elterninitiativen und unter den Petitionsunterzeichnern nicht nur Regelsatzzahler aktiv sind und auf die überaus dramatische finanzielle Belastung hinweisen, wird vermutlich bewusst ausgeblendet. Genauso wie die Herausforderung der hohen Inflation der letzten Jahre für Familien mit kleinen Kindern, denen oft nur 1,25 bis 1,5 Gehälter zur Verfügung stehen.
Dass nach der oft angepriesenen Gebührenreduzierung zum 1. Oktober 2025 immer noch jährlich fünfstellige Summen im Regelsatz gezahlt werden müssen, wird nicht gesehen. Da kommt die Frage auf, warum hauptsächlich junge Familien in Reutlingen über die Maße belastet werden? Warum muss diese Zielgruppe so einen extremen Beitrag zur schlechten Haushaltslage leisten? Zu betonen ist, dass Reutlingen selbst nach der angeblich hohen Reduzierung in den meisten Stufen, vor allem im Ü3 Bereich, weiterhin trauriger Spitzenreiter der Kita-Gebühren in BW sein wird.
In der Gemeinderatssitzung am 27. Februar 2025, unter Tagesordnungspunkt 10, kam die wohl einzig zutreffende Aussage gegen Ende von unserem Verwaltungsbürgermeister Robert Hahn, möglicherweise mit einem indirekten Eingeständnis: »Es ist überdenkenswert, ob wir nicht insgesamt absenken müssen.« Ja! Und zwar dringend.
Es reicht, dass vor allem junge Familien in dieser Stadt zur finanziellen Verantwortung gezogen werden, während die Stadt an diesem Abend wieder Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe für denkmalgeschützte Gebäude vorantreibt. Noch dazu muss die Ungerechtigkeit der vergangenen zwei Jahre, in denen mit unterschiedlichen Gebührentabellen gearbeitet wurde, durch eine Art »Bonusmodell« im neuen Doppelhaushalt wieder ausgeglichen werden. Schließlich sprechen wir von weniger als einem Prozent des städtischen Haushalts, was jedoch für viele Familien eine sehr erhebliche Entlastung ausmachen würde.
Des Weiteren muss, wenn man am bestehenden System festhalten will, zwingend auf Antrag das reale Haushaltseinkommen durch die Verwaltung geprüft werden. Sonst hätte man auch keine Systemumstellung gebraucht! Auch alle privaten Träger, die von der Stadt Unterstützung erhalten, müssen die gängigen Sozialrabatte anwenden. Alles andere ist weiterhin eine Farce und hat nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.
Ines Hörer und Daniel Dietrich, Reutlingen