Meine 88-jährige Mutter ist schwer krank und benötigt die Hilfe von medizinischen Spezialisten und Spezialkliniken. Als Privatversicherte genießt sie hierbei einen großen Vorteil: Immer mehr Ärzte und Kliniken haben für Privatversicherte gesonderte Telefonnummern, unter denen sofort nach dem ersten Klingeln abgehoben wird, während sich gesetzlich Versicherte unter den offiziellen Rufnummern »die Finger wundwählen« und trotzdem niemanden erreichen. Die Privatpatienten unterschreiben bei der Erstaufnahme, dass sie diese Telefonnummern nicht an Dritte weitergeben dürfen. Natürlich sind unter diesen geheimen Sonderrufnummern dann auch sofortige Terminvereinbarungen möglich.
Trotzdem halte ich es nicht für richtig, jetzt empört auf alle Mediziner einzuprügeln. Denn man stelle doch einmal einen seriösen Handwerksmeister folgende Frage: Frau Meier will für einen Auftrag 1.000 Euro bezahlen, Herr Müller bietet für dieselbe Arbeit 2.300 Euro (so groß ist der Honorarunterschied eines Mediziners zwischen Kassen- und Privatpatient). Welchen Auftrag wird der Handwerker wohl zuerst annehmen?
Die ohne jeden Zweifel vorhandene Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland ist allein durch den Gesetzgeber begründet, der solche Honorarunterschiede legal ermöglicht.
Olaf Schmenkel, Engstingen