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Aktuell Leserbrief

»Die Wahrheit kommt ans Licht«

Zum Artikel »Oberamteistraße: Die Kosten steigen« vom 3. Mai (per E-Mail)

Wenn ein aus dem 13. Jahrhundert stammender Gebäudekomplex, der ein halbes Jahrhundert lang im Dornröschenschlaf und in Vergessenheit lag, revitalisiert und umgenutzt werden soll, dann ist jedem Bürger mit gesundem Menschenverstand klar, dass ein solches Bauvorhaben äußerst risikobehaftet und voller Überraschungen ist. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches.

Ein solches Bauvorhaben einigermaßen kalkulierbar zu machen, ist jedoch nahezu unmöglich. Es stellt sich daher die Frage, mit welcher Naivität der Kostenplan geschönt und dem Gemeinderat als Beschlussvorlage vorgelegt wurde. Kein Privatmann würde jemals ein solch riskantes Bauvorhaben aus eigener Tasche bezahlen wollen, geschweige denn dafür einen Bankkredit bekommen.

Die Wahrheit kommt dann doch noch ans Licht, nämlich vor knapp zwei Monaten, als Baubürgermeisterin Angela Weiskopf den Reutlingern Mehrkosten in Höhe von rund 2 Millionen Euro offenbart und noch damit prahlt, dass man damit immer noch weit unter dem Durchschnitt der allgemeinen Baukostensteigerung liege.

Schon im März keimte der Verdacht auf, dass man den Reutlinger Bürgern und dem Gemeinderat bei den Kosten ein X für ein U vormachen wollte. Aus dem »U« sind jetzt am 2. Mai 2025 bereits 6 Millionen Mehrkosten geworden, also das Dreifache an Mehrkosten. Das »Nice to have«-Prestigeprojekt unseres Oberbürgermeisters Thomas Keck entwickelt sich immer mehr zu einem Mausoleum für verschwendetes Steuergeld und verpasste Chancen, in sinnvolle Infrastruktur zu investieren.

»Man muss den Bürgern den Mehrwert und den Nutzen vermitteln.« Welchen Mehrwert bitte für einen Gebäudekomplex ohne wirklichen Nutzen. Mit welchen Milchmädchenrechnungen soll dieser Mehrwert geschaffen werden? Da fragt man sich schon, ob man die Zahlen im Griff hat und wie es um die Qualifikation im Rathaus bestellt ist. Rechenkunst ist im Reutlinger Rathaus ohnehin angesagt. Die 165 Millionen Euro teure Rathaussanierung soll sich selbst finanzieren. Amortisiert über ein halbes Jahrhundert. Ich lache mich kaputt. Und das aus dem Munde des Finanzbürgermeisters, der von einem Finanzloch ins nächste stolpert. Dessen Halbwertszeiten seiner Haushalte seit Jahren nicht einmal ein Jahr überdauern.

Man möge doch bitte einmal studierte Wirtschaftsweise fragen, ob man für die nächsten 50 Jahre verlässliche Schätzungen über die wirtschaftliche Entwicklung und Kostensteigerungen abgeben kann. Die Antwort kann sich jeder selbst ausdenken.

 

Wolfgang Lenk, Reutlingen