Im Artikel wurde über die Abschiebung von Schwerkriminellen und Gefährdern nach Afghanistan berichtet. Aber ist dieses Vorgehen mit Art. 3 GG »Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich« vereinbar? In Abs. 3 »Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse … benachteiligt oder bevorzugt werden« gibt es keine Ausnahmen, wie zum Beispiel Nichtanwendbarkeit auf Afghanen. Unser Strafgesetz gilt daher auch für straffällig gewordene Flüchtlinge jedweder Herkunft. Verhängte Haftstrafen sollten daher auch vollständig abgesessen werden, was bei den verurteilten Straftätern gar nicht oder nur teilweise der Fall war. Im Übrigen seien sie von den Taliban wieder freigelassen worden. Sie bedrohen jetzt die lokale Bevölkerung, vor allem Frauen und Mädchen, was ich moralisch für bedenklich halte.
Aber der Ruf unserer Gesellschaft nach Abschiebung betrifft nicht nur Straftäter und Gefährder, sondern geht noch viel weiter. Wie aber im Artikel erläutert, sind nach heute geltendem Recht von insgesamt rund drei Millionen in Deutschland lebenden Schutzsuchenden nur 17.900 ausreisepflichtig. Auch wenn es gelänge, alle zur freiwilligen Ausreise zu bewegen oder sie abzuschieben, würden immer noch drei Millionen Schutzsuchende in Deutschland verbleiben. Solche Maßnahmen haben vielleicht eine psychologische Wirkung und mögen verhindern, dass noch mehr Wähler ins rechte Lager abdriften, sie lösen das Migrationsproblem aber im Kern nicht.
Auch Maßnahmen wie Zurückweisungen an deutschen Grenzen im Rahmen des Dubliner Übereinkommens verlagern das Problem nur auf unsere europäischen Nachbarländer. Griechenland und Italien werden sich bedanken! Ich habe den Eindruck, unsere Politiker einschließlich der »christlichen« CDU/CSU, beabsichtigen, Schutzsuchende bewusst aus dem Geltungsbereich des Grundgesetzes fernzuhalten, ohne sich um das weitere Schicksal dieser Menschen zu kümmern und nehmen in Kauf, dass zum Beispiel im Camp Moria/Lesbos über 20.000 Schutzsuchende unter katastrophalen Verhältnissen zwischen Ratten und Müllbergen ausharren müssen.
Von keiner Partei habe ich bisher vernommen, dass man das Migrationsproblem an der Wurzel anpacken möchte, nämlich durch Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern. Dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) werden im Bundeshaushalt 2025 gerade mal 2,1 Prozent (10,3 Milliarden Euro) zugewiesen (im Vergleich zu 79 Milliarden Euro für Finanzverwaltung und Schulden).
Für eine dauerhafte Beseitigung der Fluchtursachen bräuchte es ein von der EU und der Schweiz breit angelegtes, langjähriges Hilfs- und Entwicklungsprogramm unter Beteiligung von Unternehmen und Hilfsorganisationen und einer massiven Spendenkampagne, gepusht von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
Jürgen Hinger, Lichtenstein