Liebe FDP, 4,3 Prozent – im Politikersprech ein ehrliches Ergebnis. »Einen Politikwechsel gibt es nur mit der FDP. Ein Kanzlerwechsel allein macht noch keinen Unterschied«, hieß es vom hiesigen Noch-MdB im Wahlkampf. Das haben die Wählerinnen und Wähler anders gesehen. Dabei braucht Deutschland eine liberale Stimme. Diese FDP aber nicht mehr. Warum? Das einzige Gut, was ein Politiker besitzt, ist seine Integrität. Die Glaubwürdigkeit wurde verspielt. Die FDP war über drei Jahre Regierungspartei und stellte vier Minister und einige Staatssekretäre. Die Wirtschaft stöhnt unter der hohen Steuer- und Sozialabgabenlast, aber noch mehr unter Regulierungsfetischen.
Die Bürokratie nahm in den Ampeljahren weiter zu. Neue Gesetze, Verordnungen, Erlasse. Das Prinzip »one in – two out«, also ein neues Gesetz wird zwei alte ersetzen, wurde nicht ansatzweise umgesetzt. Nicht eine einzige Initiative ist bekannt, die auf die FDP zurückzuführen wäre, die das Leben der Menschen einfacher gemacht hätte. Die Enttäuschung darüber ist bei den Wählern, in Industrie, Handwerk, Handel, Verwaltung, Kultur und Sport groß.
Deutschland braucht eine bürgernahe, freiheitliche und wirtschaftsliberale Partei, das ist die FDP nicht mehr. Zu weit weg von der Bevölkerung. Die Menschen können mit einem Ralf Dahrendorf, dessen wichtigste Schriften aus den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts entstammen, für ihr jetziges Leben konkret nichts anfangen. Ein ehemaliger Parteifunktionär meint in einem Interview, die FDP solle sich an der Volt oder den österreichischen Neos orientieren. »Frische Gesichter und neue Ideen. Jünger, weiblicher und digitaler.« Anspruch und Wirklichkeit klaffen indes weit auseinander. Nach der Wahl ist vor der Wahl und die FDP kümmert sich um sich selbst. »Erst das Land, dann die Partei, dann ich«? Welch ein Gewäsch. Das Postengeschacher geht munter weiter. Ein arrivierter MdL, seit 2011 im Stuttgarter Landtag, wird jetzt als frisches Gesicht für den Wahlkreis 61 Hechingen-Münsingen kredenzt. Weil er in seinem bisherigen Wahlkreis keine Chance auf ein Mandat mehr sieht, wechselt er den Beritt. Zwei engagierte Bewerberinnen werden dafür parteiintern beiseitegeschoben. »Alles lässt sich ändern.« Diesen Wahlslogan plakatierte die FDP. »Wir machen weiter so« wäre wenigstens ehrlicher gewesen.
Dirk Mrotzeck, Reutlingen