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Aktuell Leserbrief

»Chance vertan, neues Vertrauen zu gewinnen«

Reden vor der Vertrauensfrage (per E-Mail)

Mit der teilweisen Verunglimpfung der politischen Gegner gibt es nur bedingt einen Vertrauensvorschuss der Bevölkerung für die neuen Koalitionsverhandlungen nach der Wahl in 2025! Kanzler Scholz haut auf Lindner ein, unterstellt ihm fehlende sittliche Reife und ebenso keine Verantwortlichkeit in der Zusammenarbeit der Koalition und unterstellt sogar Sabotage. Das klang ziemlich nach einer Abreibung für ihn, nur weil dieser die Schuldenbremse einhalten und einer Abkehr davon nicht zustimmen wollte. Scholz redet von Wohlstand in Deutschland. Er redet hier eher von Reichen und gut situierten Mittelständlern und will die zur Kasse bitten. Die SPD-Klientel der Arbeiter kann er nicht zu meinen, denn in Zeiten von Inflation bei Energie und Lebenserhalt steht an jedem Monatsende eher ein Minus als ein Plus im Haushaltsbuch. Für ganz viele Rentner, Geringverdiener ist das doch am Monatsende die bittere Situation.

Scholz sieht in der Energieversorgung und der Infrastruktur die Vorgängerregierung in der Verantwortung, nur es gilt zu erwähnen, dass die SPD doch in der Ära Merkel von 2005 bis 2021, außer 2013 bis 2018, zur Koalition angehörte. Anscheinend hat er hier ein ziemliches Kurzzeitgedächtnis, als er ab 2007 Minister für Arbeit und Soziales, Bundesfinanzminister und stellvertretender Bundeskanzler in verschiedenen Koalitionen war. Er beschreibt das Gespenst von Rentenkürzungen, anstatt endlich mal anzukündigen, die zweigleisige staatliche Altersvorsorge Renten versus staatliche Pensionen in eine zusammenzuführen. Keine einzige Partei im Bundestag wagt sich an dieses Thema! Und die Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln von 7 auf 5 Prozent zu setzen, ist Symbolpolitik, denn bei einem Pfund Butter zu 2,50 Euro macht das gerade mal 5 Cent aus. Reiner Wahlkampf, statt im Agrarsektor europaweit die Milchproduktion egal welcher Größe zu unterstützen.

Scholz sucht überall nur die Schuld bei den anderen. Christian Linder stellt das Bürgergeld infrage und will den Grundfreibetrag für Arbeit und Renten erhöhen. Ganz viele Rentner und Geringverdiener hätten den Vorteil, nicht schon ab knapp 1.000 Euro Monatsrente besteuert zu werden. Wenn die Themen ausgehen, wird es eben emotional. So auch, als Herr Mützenich als Vorsitzender der SPD-Fraktion wieder den D-Day gegen die FDP ins Feld führte. Mützenich begann mit den Begriffen »Würde und Anstand statt Niedertracht untereinander« seine Rede, drosch nach wenigen Minuten im selben Tenor wie Olaf Scholz auf die FDP ein. Welche Würde er meinte, leitete sich nicht für mich ab? Er meint, die FDP – vor allem Christian Linder – soll sich schämen für das platzen lassen der Koalition. Fakt ist doch, dass niemand Scholz geheißen hatte, Lindner zu entlassen und nun diesen unnötigen Zeitverlust von einem halben Jahr Regierungsarbeit in dieser schwierigen Zeit zu haben. Das ist ein dicker Vorwurf an den sehr verehrten Bundeskanzler Scholz!

Friedrich Merz (CDU) unterstellt dem Kanzler eine Unverschämtheit im Umgang mit Christian Lindner. Er fragt, wo die SPD und Scholz die letzten 22 der 26 Regierungsjahre Jahre gewesen sei, wenn Scholz von Altlasten anderer geredet hatte. Das können Scholz, Mützenich und frühere Führungskräfte der SPD schwerlich wegargumentieren. Wirtschaftsminister Robert Habeck wäscht seine Hände weitgehend in Unschuld, da er ein Stück weit in der Vergangenheit fischt, was sich gegen Merkel und SPD richtet. Trotzdem wäre es richtig, die Klimapolitik der Grünen als unmöglich in der geforderten Zeit zu bezeichnen.

Der Parteienverdrossenheit einer zunehmenden Zahl von Menschen ist Vorschub geleistet worden, da kaum ein Politiker sein eigenes Handeln ernsthaft infrage stellen wollte. Wahlkampf eben um der Macht willen und nicht mit Rücksichtnahme auf den unteren Mittelstand und darunter liegende soziale Schichten. In diesem Sinne war das ein verlorener Tag für viele Menschen in Deutschland. Sie haben mehr verdient!

 

Joachim Steinmaier, Dettingen