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Aktuell Leserbrief

»Betrifft uns in ganz existenzieller Weise«

Zustimmung des SPD-Präsidiums zur geplanten Raketenstationierung (per E-Mail)

Am 10. Juli 2024 erklärte Olaf Scholz am Rande des Nato-Gipfels in Washington, er habe mit der US-Administration vereinbart, ab 2026 landgestützte US-amerikanische Raketen mit großer Reichweite zu stationieren. Und nun hat das SPD-Präsidium dieser Vereinbarung zugestimmt mit der Behauptung, dies sei ein Baustein, »dass kein Kind, das heute geboren wird, Krieg erleben muss«.

Das wirft bei uns einige Fragen auf: Soll hier mit Kindern als emotional besetzte Subjekte auf billige Weise für diese Raketen geworben werden? Oder soll allen Ernstes behauptet werden, mit Hilfe von diesen Raketen den Frieden für die nächsten 100 Jahre zu sichern?

Noch wichtigere Fragen drängen sich aber auf, weil die Stationierung ohne vorherige ergebnisoffene Debatte im Bundestag und in der Öffentlichkeit verkündet wurde. Auch wenn aus rechtlicher Sichtweise keine vorherige Zustimmung des Bundestags notwendig sein sollte, so betrifft diese Entscheidung für die Stationierung hochgefährlicher Waffensysteme doch uns alle in ganz existenzieller Weise.

Warum hochgefährlich? In seiner sehr lesenswerten Studie der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung kommt der Oberst a. D. und Militärberater Wolfgang Richter zu dem Ergebnis, dass mit der Stationierung gravierende Risiken für die Sicherheit Deutschlands und Europas verbunden sind.

Neben detaillierten Beschreibungen der geplanten Waffensysteme führt Richter zum Beispiel aus: »Mit der Stationierung von landgestützten U.S.-LRF-Systemen [Long Range Fires] werden ab 2026 zum ersten Mal seit 1988 wieder strategische Ziele in der Tiefe Russlands von Deutschland aus mit Langstreckenwaffen von hoher Präzision unter Bedrohung gehalten.« (…) »Sie können ihre Ziele in wenigen Minuten erreichen.« (…) »Sie eignen sich [besser als bisherige Nato-Waffensysteme] für Überraschungsangriffe. Ein instabiler Alarmzustand dürfte in Moskau die Folge sein. Es kann zu Fehlperzeptionen [falscher Wahrnehmung] und präemptiven [zuvorkommenden] Kurzschlussreaktionen führen.«

Ein gewichtiges Argument gegen die Stationierung dieser neuen, zum Teil noch in der Entwicklung befindlichen Waffensysteme sieht Richter in der Verhinderung künftiger Rüstungs-Kontrollabkommen mit Russland. Stattdessen wird der Rüstungswettlauf in Gang gehalten. Aber wenn es denn irgendeine Chance und Hoffnung auf Frieden in Europa für uns und künftige Generationen gibt, dann doch nur, wenn wieder gegenseitige Rüstungskontrolle und Rüstungsabbau möglich werden.

Die Zitate stammen aus: Wolfgang Richter, »Stationierung von U.S. Mittelstreckenraketen in Deutschland«, Friedrich Ebert Stiftung.

 

Gisela Etzel und Roland Riedl, Reutlingen