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Aktuell Leserbrief

»Beeindruckende Harmonie«

Drei Elefantinnen im Reutlinger Weihnachtscircus

Seit etlichen Jahren lehnen sich Tierschützer dagegen auf, dass dressierte Tiere im Zirkus gezeigt werden. Zweifellos ist die Dressur kein »Zuckerschlecken« und die Lebensumstände mögen zum Teil schwierig sein für die Tiere. Was ist es aber, das Hunderte von Zuschauern fasziniert? Ich vermute, es ist der uralte Traum der Menschheit, der Traum von einem paradiesischen Zustand, wo Mensch und Tiere in Frieden miteinander leben. Dieser Aspekt wurde im Reutlinger Weihnachtscircus augenscheinlich realisiert. Man hatte nicht den Eindruck, dass hier gequälte Tiere erscheinen. Es herrschte eine beeindruckende Harmonie zwischen Mensch und Tier. Es wäre vielleicht übertrieben, von Liebe zu sprechen? Beide Seiten haben sicher schwer gerungen, bis dieser Einklang entstehen konnte.

Man verzeihe mir, wenn ich vergleiche, aber ich möchte doch daran erinnern, mit welcher Selbstverständlichkeit immer mehr Menschen Hunde halten und natürlich auch »erziehen«, bis sie folgen. Ist das grausam? Oder kann das Tier seine erworbenen »Künste« auch selbst genießen? Und noch einen vielleicht gewagten Gedankenschritt weiter: Was machen wir mit unseren Menschenkindern? Der Versuch, sie »wild« aufwachsen zu lassen, ist zum Scheitern verurteilt. Um menschengemäße Erziehung beziehungsweise Bildung wird seit Jahrzehnten gestritten. Es kommt aber letztlich immer auf das »Wie« mehr an als auf das »Was«. Alle Erziehung wird scheitern, die nicht mit Liebe geschieht. Wenn Kinder schon in jungen Jahren »Kunststücke« vorführen, zum Beispiel Klavier oder Geige spielen wie ein gelernter Meister, so ist der Grat immer schmal zwischen Dressur, die nur von außen gesteuert ist, und eigenem Wunsch und Willen des Schülers. Ob es das bei Tieren auch gibt? Ob auch hier Exemplare der gleichen Gattung unterschiedlich geeignet sind für eine Dressur?

Die drei Elefantinnen im Reutlinger Weihnachtscircus haben die Herzen der Menschen gewonnen, wenn nicht sogar tief gerührt! Die Tiere haben vermutlich auch ein Gespür für Atmosphäre. Sie wurden schließlich nicht, wie Tausende ihresgleichen, erschossen, sondern mit Wellen von Sympathie überschüttet. Sie flößten Würde und Ehrfurcht ein. Das, denke ich, können Kinder schon wahrnehmen, wenn man derartige Gefühle nicht durch andersgeartete Gedanken stört. Alles in allem: Dank der Familie Sperlich, die es gewagt hat.

 

Renate Hausmann, Reutlingen