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Aktuell Leserbrief

»Agieren statt Reagieren«

Zum Online-Artikel »Keck über Schließung von Breuninger: ›Schwerer Schlag für Reutlinger Innenstadt‹«, 6. März (per E-Mail )

Sehr geehrter Herr Keck, Ihre bestürzte Reaktion im Artikel »Keck über die Schließung von Breuninger: Schwerer Schlag für Reutlinger Innenstadt« vom 6. März habe ich mit großem Interesse gelesen. Bis vor wenigen Jahren hat meine jetzige Geschäftspartnerin ein hochwertiges Einzelhandelsgeschäft in der Oberamteistraße 13 betrieben. Mit Bestürzung haben wir die Nachricht der Schließung des Hauses Breuninger in Reutlingen vernommen und die erste Reaktion im GEA gelesen. »Diese Nachricht wirft Fragen auf, die zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer zu beantworten sind«, heißt es darin. Gerne geben wir sachliche Antworten aus unserer Perspektive darauf, wenn Ihrerseits Interesse besteht.

Meine Geschäftspartnerin hat zwischen 2012 und 2020 einige Dinge als Einzelhändler erlebt, die sie nicht als partnerschaftlich seitens des Rathauses empfunden hat; vielen anderen engagierten Einzelhändlern ging oder geht es genauso. Mehrere Versuche (damals bei OB Barbara Bosch), sich Gehör zu verschaffen, waren erfolglos.

Die Begründung des Breuninger CEO Holger Blecker in der Fachpresse lautet wie folgt: »Reutlingen ist ein Einzelfall«, so Blecker: »Stetig rückläufige Besucherzahlen und damit verbundene Umsatzrückgänge des Reutlinger Hauses zwangen das Unternehmen zu der Entscheidung, den Standort nicht mehr weiterzuführen.« Die »abnehmende Attraktivität der Innenstadt« und der »starke Wettbewerb in der Region« (Metzingen?) hätten das Unternehmen zu der Entscheidung gezwungen.

Im Gespräch mit der »Textilwirtschaft« unterstrich Blecker den Einzelfall-Charakter der jüngsten Entscheidung: »Wir haben uns die Situation sehr genau angesehen und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir allein die Rahmenbedingungen im Einzelhandel vor Ort nicht verbessern können. Und damit würden sich auch weitere Investitionen langfristig nie auszahlen.«

Wann schaltet die Stadtverwaltung endlich auf Agieren statt auf Reagieren? Gewiss trifft die Stadt Reutlingen keine Schuld an den Schließungen einiger Filialisten wie Gerry Weber und Hallhuber oder auch von Galeria Kaufhof. Jedoch lasse ich die Ausrede, dass die zunehmend regionale Konkurrenz ein weiterer Faktor der sich geänderten Gegebenheiten für den Reutlinger Einzelhandel ist, nicht gelten. Konkurrenz belebt seit jeher das Geschäft. Mir sind beispielsweise keine Aktivitäten bekannt, die hohe Anzahl an Metzinger Shoppingtouristen nach Reutlingen zu locken. Gut, dafür bräuchte es auch zuerst mal ein Angebot …

Und selbst wenn der Fokus des Hauses Breuninger mittlerweile mehr auf die großen deutschen Städte gerichtet ist, so stimmt es mich mehr als nachdenklich, dass trotz der hohen Kaufkraft der Reutlinger Bevölkerung und eigener Breuninger-Immobilie das Haus gemäß einer Pressemitteilung nicht einmal mehr die laufenden Kosten decke. Es mag vielleicht etwas polemisch klingen, aber viele haben den Eindruck, dass das Verteilen von Strafzetteln sowie das Einschreiten des Ordnungsamtes zur – Achtung – Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung wie im Fall der Boutique von Janna Blum (siehe Artikel vom 10. Februar) mehr Priorität genießt als das Fördern des noch verbliebenen Einzelhandels.

Das ehemals pulsierende Reutlinger Nachtleben hat die Stadt mit Vorschriften bereits fast vollständig zum Erliegen gebracht. Bevor sich nun der Einzelhandel auch komplett aus der Innenstadt verabschiedet, fordere ich Sie zu zügigem und energischem Gegensteuern auf, statt solche Floskeln zum Besseren zu geben: »Der Wandel unserer Innenstädte bleibt dabei nicht aus. Wir müssen darauf reagieren und sie von reinen Einkaufsmeilen hin zu multifunktionalen Zentren für Wohnen, Leben und Arbeit, aber auch für Freizeit, Entspannung und Genuss weiterentwickeln.« (Artikel GEA-Online vom 6. März). Ich würde mich freuen, wenn Sie Interesse an einem Austausch haben.

 

Daniel Kraus, Reutlingen