Alles begann mit dem unsäglichen Angriff auf schutzlose Menschen in Israel durch die Hamas im Oktober 2023. Nach dieser Zeit und meiner Recherche zu Mitgliedern des rechtsreligiösen Kabinetts von Benjamin Netanjahu bin ich kurz danach auf zwei Minister gestoßen, die enormen Einfluss auf die militärischen Aktionen seitens Israel haben. Der eine ist Itamar Ben-Gvir, in seiner Funktion als Chef der Nationalen Sicherheit. In Deutschland wäre das ein Ressort des Innenministeriums, also des Leiters aller Polizeibehörden. Der andere ist Bezalel Smotrich als Finanzminister.
Als ich den Film von Arte »Israel – Extremisten an der Macht« gesehen hatte, war ich zunächst skeptisch und sprachlos und recherchierte wegen der ungeheuerlichen Vorwürfe sie auf Richtigkeit, da unsere Medien darüber weitgehend schweigen. Heute weiß ich, dass die Dokumentation eine große Vertrauenswürdigkeit hat.
Ich befürchte, dass der Anschlag der Hamas ihnen gerade recht kam. Warum? Nun hatten Netanjahu und seine beiden rechtsextremen Minister einen willkommenen Anlass, mit der Hamas aufzuräumen. Nicht so verkehrt, möchte man meinen, wenn da nicht bisher in 1,5 Jahren über 180.000 Nicht-Juden in Gaza und anderen Gebieten getötet worden wären. Mit Sicherheit waren darunter in großer Mehrheit palästinensische Zivilisten. Der Staatsführung in Israel ist es nach innen weitgehend egal, ob Hamas-Kämpfer oder Zivilisten getötet werden, was das Zynische daran ist. Im Zweifelsfall kann man immer behaupten, dass Hamas-Kämpfer darunter gewesen seien und nachprüfen lässt sich das nicht immer. Die jüngste Attacke auf Fahrzeuge des Rettungsdienstes des Roten Halbmondes war für sie nur ein Unfall.
Nun komme ich zurück auf Ben-Gvir. Als im Austausch der Geiseln die Waffen im Gaza-Krieg schwiegen, hatte er seinen Kabinettsposten aus Protest verlassen. Seit wieder Krieg ist, stieg er wieder in sein Amt ein, was einmalig in der Welt ist. Für Netanjahu sind sie unverzichtbar, da sonst seine Koalition am Ende wäre. Diese beiden Minister sprechen offen von einem Groß-Israel und einer kompletten Vertreibung störender Araber. Ich nenne das eine geplante Deportation aus Gaza und dem Westjordanland und noch weiter in ein Land, in dem sie keine Wurzeln haben und völlig fremd wären.
Nun möchte ich zusammenfassend schreiben, dass es in Deutschland seit 1802 mit der Säkularisation ein Segen ist, dass die Kirche in der Staatsführung keine Rolle mehr spielt. In Israel ist das völlig anders, schon weil es dort nichts Vergleichbares zu unserem Grundgesetz gibt. Das erklärt, warum sich in Netanjahus Koalition so viel religiöser Radikalismus gegen UN-Menschenrechte richtet – zum Leid der Araber.
Niemand andererseits hat das Recht, die jüdischen Mitbürger – egal wo in der Welt – dafür zur Rechenschaft zu ziehen, denn es sind Menschen wie wir alle. Aber wir haben das Recht, diesen Teil der Politik in Israel in aller Deutlichkeit zu kritisieren, da viel gegen die UN-Charta der Menschenrechte verstößt. Vor allem die Politik in Deutschland bekundet das viel zu wenig.
Ob Benjamin Netanjahu das Gewissen hat, das Leid der Araber sehen zu wollen, das im Namen seiner Koalition begangen worden ist und wird? Jedenfalls aus Gründen seines Machterhalts anscheinend nicht und dafür ist er berechtigt vom UN-Gerichtshof in Den Haag schuldig gesprochen worden. Über Leichen zum persönlichen Macherhalt zu gehen ist das Schlimmste, was im Kopf eines Menschen möglich ist.
Joachim Steinmaier, Dettingen