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Aktuell Interview

Survival Siglinde über Schätze vor der Haustür

Christine Rauch ist Expertin für essbare Wildpflanzen. Als Survival Siglinde begeistert sie zigtausende Follower über Instagram und YouTube. Und sie ist Stargast bei der Garden Life in Reutlingen am 30. Mai. Der GEA hat vorab mit ihr gesprochen.

Christine Rauch ala Survival Siglinde ist Stargast bei der Garden Life in Reutlingen. Die Expertin für essbare Wildpflanzen stel
Christine Rauch ala Survival Siglinde ist Stargast bei der Garden Life in Reutlingen. Die Expertin für essbare Wildpflanzen stellt dort auch ihr neues Buch vor. Foto: Fotoloft Erfurt
Christine Rauch ala Survival Siglinde ist Stargast bei der Garden Life in Reutlingen. Die Expertin für essbare Wildpflanzen stellt dort auch ihr neues Buch vor.
Foto: Fotoloft Erfurt

GEA: Gleich zu Anfang müssen Sie mir helfen: Spreche ich jetzt mit Christine Rauch oder mit Survival Siglinde? Oder wechseln Sie ganz schnell mal die Persönlichkeiten?

Sie sprechen mit beiden. Also gerade ist Christine da, aber Siglinde ist ja ein Teil von Christine. Ich wechsle die Persönlichkeiten ständig.

Sie sind zertifizierte Fachberaterin für Selbstversorgung mit essbaren Wildpflanzen. Wo kann man sich denn dafür ausbilden lassen?

Christine Rauch: An der Hochschule Nürtingen-Geislingen, also bei Ihnen um die Ecke. Da habe ich den Weiterbildungs-Studiengang von Dr. Markus Strauß besucht. Die letzten sechs Jahre war ich dort Teil des Honorar-Dozententeams und habe selber die Leute mit ausgebildet. Da gibt’s dann auch noch den Fachberater zur Selbstversorgung mit essbaren Wildpilzen, den durfte ich auch zweimal begleiten. Das ist ein großes Feld, das man sich erschließen kann.

»Meine Eltern haben sich immer schon aus der Natur mitversorgt«

Auf Ihr Buch, das kürzlich erschienen ist, kommen wir gleich noch zu sprechen. Aber vorab: Wie kommt man eigentlich auf die Idee, in der freien Natur nach essbaren Wildpflanzen zu suchen? Sind Sie als Kind auf dem Lande aufgewachsen?

Rauch: Ich hatte Eltern, die das irgendwie immer ganz normal mit integriert haben. Meine Eltern haben sich immer schon aus der Natur mitversorgt. Meine Familie kommt teils aus dem Thüringer Wald, und es gab nie einen Spaziergang, von dem wir ohne Pflanzen nach Hause gekommen sind. Wir haben in einem großen Pfarrgarten gewohnt, hatten ein Pfarrhaus und waren quasi Selbstversorger. Wir hatten sogar als eine der wenigen in der Umgebung eigenen Spargel, und es gab in diesem Garten einfach alles. Ich weiß heute noch die genaue Anordnung von diesem Garten. Als Erstes im Frühjahr hat meine Mutter immer Brennnessel-Suppe gemacht. Das war einfach Bestandteil meines Jugendlebens.

Im Doppelpack: Christine Rauch und ihre Kunstfigur Survival Siglinde.
Im Doppelpack: Christine Rauch und ihre Kunstfigur Survival Siglinde. Foto: Fotoloft Erfurt
Im Doppelpack: Christine Rauch und ihre Kunstfigur Survival Siglinde.
Foto: Fotoloft Erfurt

Das heißt, Sie haben viel Wissen von Ihren Eltern und in der Kindheit schon mit auf den Weg bekommen. Aber Sie sind dann nicht sofort in dieses Thema eingestiegen.

Rauch: Nein, ich habe in Villingen-Schwenningen internationale Betriebswirtschaftslehre studiert. Nach dem Studium fing ich dann an zu arbeiten, und irgendwann entwickelte mein Körper Nierensteine, es gab Operationen und natürlich ständige ärztliche Betreuung. An dem Punkt habe ich mir dann aber überlegt, was ich abgesehen von der Schulmedizin denn selbst tun kann, um der Krankheit entgegenzuwirken. Ich kam über basische Ernährung zur Rohkost, habe eine Ausbildung in Berlin gemacht, und da empfahl mir dann jemand diese Wildpflanzen-Ausbildung. So fügte sich das Puzzle zusammen.

Der Neustart in Sachen Wildpflanzen war dann aber kein völliges Neuland für Sie.

Rauch: Ich kannte viele Pflanzen einfach aus meiner Kindheit und Jugend, auch wenn ich die Inhaltsstoffe natürlich nicht kannte. Ich wusste aber von vielen Pflanzen, ob man sie essen kann oder nicht.

»Ich zeige den Leuten, worauf sie achten müssen «

Damit sprechen Sie aber auch einen heiklen Punkt an: Man muss doch ganz genau aufpassen, was man aus der Natur holt. So manches ist giftig, manches unverträglich. Sollte man ohne genaue Kenntnisse nicht die Finger davon lassen?

Rauch: Ich habe bei jedem meiner Instagram-Posts stehen: Regel Nummer eins lautet, bitte nur davon essen, wenn man 100 Prozent sicher ist. Man muss sich einfach der Gefahr bewusst sein. Wenn man Herbstzeitlose isst, weil man denkt, es sei Bärlauch, dann ist es vorbei. Das ist natürlich eine Riesennummer. Selbst nach einem Sammelspaziergang sagen die Leute oft, dass sie sich immer noch nicht trauen. Aus diesen Rückmeldungen heraus sind ja dann auch meine Sammel- und Kochkurse entstanden, in denen wir drei Stunden lang mit zwei Pflanzen ein Drei-Gänge-Menü zaubern. Den Leuten Sicherheit zu geben, das ist neben dem Infotainment eine ganz wichtige Aufgabe für mich. Ich zeige ihnen, worauf sie achten müssen, welches die Merkmale einzelner Pflanzen sind und betreibe Aufklärungsarbeit. Aber es ist auf jeden Fall richtig, Vorsicht walten zu lassen.

Das Buch »Wilde Pflanzen essen mit Survival Siglinde«, das Sie vor kurzem herausgebracht haben, soll ja genau diese Aufklärung in einfacher, gut verständlicher Art an die Leser bringen.

Rauch: Wir haben das Buch bewusst als Familienbuch konzipiert, wo man sich in einfachen Schritten fundiertes Wissen aneignen kann. Zu jeder Pflanze wurden Illustrationen geschaffen. Natürlich war es eine Gratwanderung, mit Illustrationen zu arbeiten, das war schon ein bisschen mutig. Das Konzept wird aber offensichtlich von den Leuten verstanden und geschätzt. Wir haben uns an alten Zeichnungen festgehalten, die sehr detailgetreu sind. Und Biologen melden inzwischen zurück, dass die Illustrationen teils genauer seien als Fotografien.

Woran liegt es denn Ihrer Meinung nach, dass Sie nicht nur mit Ihrem Buch, sondern zuvor mit Ihren Social-Media-Kanälen und Ihren Videos so enorm viel Erfolg bundesweit haben? Sind Sie da thematisch in eine Lücke gestoßen?

Rauch: Es freut uns natürlich riesig, dass es so ist und dass wir diesen Erfolg haben. Trotz des Spaßes verstehen die Leute, dass da eine große Ernsthaftigkeit dahintersteht und dass sie das nötige Wissen in einer leichten Art und Weise vermittelt bekommen. Dieses Infotainment hat die Leute abgeholt. In dem Moment, wo sie die schräge Figur der Siglinde sehen, denken sie »was ist denn das?« und dann schauen sie hin. Ich habe einfach den Eindruck, dass das Thema alle Menschen abholt.

Hat das auch damit zu tun, dass die Leute allgemein mehr in Richtung gesunde Nahrungsmittel tendieren?

Rauch: Auf alle Fälle. Wir haben das auch an den großen Kursen, in denen wir selbst ausgebildet haben, bemerkt. Der Zulauf war enorm. Gerade nach der Corona-Zeit war meiner Beobachtung nach nochmals so ein Punkt erreicht, wo die Leute in Sachen Ernährung Selbstverantwortung übernommen haben. Der Nährwert von einem Löwenzahn oder einem Lindenblatt ist um so viel höher als von einem normalen Kopfsalat. Mein Rat: Salat ist super, aber nehmt das andere doch bitte mit dazu. Die Pflanzen haben ja auch ein ganz anderes Wurzelwerk mit anderen Mineralstoffen, die uns bereichern.

Entdecken Sie selbst auch immer wieder neue Wildpflanzen, die Ihnen unbekannt waren?

Rauch: Ja tatsächlich. Und ich sehe Wildpflanzen auch ganz oft in anderen Stadien und an Orten, wo ich sie nicht vermutet hätte. Heute früh war ich schon unterwegs und hab 20 Wildpflanzen gesammelt. Zum Beispiel letztes Jahr habe ich für mich die männliche Walnussblüte entdeckt als Pfefferersatz oder die verblühten Linden-Nüsschen. Dieses Jahr habe ist die Walnussblätter mal gesnackt mit ihrem pfeffrigen Geschmack. Also man tastet sich da so ran und entdeckt immer Neues.

Und Ihre liebste Wildpflanze?

Rauch: Die Magnolie dieses Jahr fand ich richtig cool. Wir haben daraus Magnolien-Sirup und Magnolien-Salat gemacht. Das war auch eine gewisse Neuentdeckung. Und natürlich mein Mädesüß, die für mich eine richtige Antikopfschmerzpflanze ist. Sie enthält ja bekanntermaßen die schmerzstillende Salicylsäure. Survival Siglinde sagt deshalb: »Tut dein Kopf weh, trink Mädesüß-Tee.«

Wie viel darf ich denn in der Natur überhaupt an Wildpflanzen mitnehmen?

Rauch: Es gilt in Deutschland die Handstrauß-Regel. Und das reicht ja auch völlig aus. Es reichen ein paar Blätter. Und man kann auch daraus ein Event mit Kindern machen. Alle sind draußen an der frischen Luft, die Wildpflanzen haben keine langen Transportwege, es kostet nichts. Man muss sich keinen Vorrat anlegen, die Natur hat immer etwas parat.

Was haben Sie denn nun den Besuchern auf der Garden Life in Reutlingen zu bieten?

Rauch: Das soll Infotainment sein, Wissensvermittlung mit Spaß. Damit die Leute am Ende des Tages sagen: Ach, wie cool. Das habe ich doch direkt vor der Haustüre stehen und kann es essen. Das ganze Programm heißt ja auch »Aufschlau-Show« und ich freue mich, dazu beizutragen, aufzuschlauen und den Besuchern die Welt der Wildpflanzen zu erschließen. Nach der Garden Life sollen die Leute bewusster wahrnehmen, welche Schätze für heimisches Superfood direkt vor der Haustüre stehen. Es geht mir einfach um die Bereicherung der wilden Küche.

Und wenn unsere Leser es jetzt gar nicht mehr erwarten können bis zur Garden Life und schon gleich in die Natur rauswollen, um sich Wildpflanzen anzusehen: Welche Tipps haben Sie parat?

Rauch: Die können schon mal auf meinen Instagram-Kanal schauen, da gibt es rund 80 Beiträge zu Pflanzen. Man kann auch einfach raus in die Natur auf Entdeckungstour und schauen, welche Pflanzen man kennt. Und natürlich kann man schon mal mit meinem Buch unterwegs sein. Was sicherlich alle kennen, sind Gänseblümchen und Löwenzahn. Ein guter Anfang für die Wildpflanzen-Tour. (GEA)