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Regierungsbildung Baden-Württemberg: Experiment abgesagt

Nun also heißt es »Weiter so«. Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der mit Wahlplakat-Slogans wie »Bewahren heißt verändern« angetreten ist, hat sich für die Devise Konrad Adenauers aus dem CDU-Wahlkampf von 1957 entschieden: Keine Experimente. Die Premiere einer Ampel unter grüner Führung ist abgesagt. Das weckt nicht nur bei FDP und SPD Enttäuschung. Das Ziel, die grün-schwarze Koalition fortzuführen, widerspricht zwar nicht unbedingt dem Wählerwillen. Kretschmanns Vorgehen ist angesichts der Corona-Pandemie erklärbar, jedoch für keine der beiden Parteien ein Segen. Dass davon das Land profitiert, ist wenig wahrscheinlich.

Wahlsieger im Land waren auf dem Papier die Grünen. Wirklicher Wahlsieger war Winfried Kretschmann. Doch nun, keine vier Wochen nach dem Urnengang, zeigen sich die Folgen. Die Partei ist allenfalls mit lautem Zähneknirschen dazu bereit, die Vorherrschaft des Ober-Realos dauerhaft mitzutragen. Der Landesvorstand hatte für eine Ampel plädiert, die Jugendorganisation in Bund und Land läuft gegen die Fortführung von Grün-Schwarz Sturm. Der Partei könnte eine Zerreißprobe drohen, wenn es darum geht, Kretschmanns Nachfolger aufzubauen.

Für die CDU ist eine Fortführung der Regierungskoalition ein Rettungsanker. Die Schmach, neben der AfD auf den Oppositionsbänken zu landen, wäre fürs Erste abgewehrt. Der Preis dafür dürften die Zugeständnisse sein, die Landeschef Thomas Strobl bei Inhalten und Personaltableau machen muss. So wird wohl bei der Basis die mehr als latent vorhandene Unzufriedenheit weiter wachsen. Sechs Monate vor der Bundestagswahl geht kein Aufbruchsignal vom Südwesten aus.

brigitte.gisel@gea.de