Seit Jahresanfang und bis zum 13. Oktober sind 3642 junge unbegleitete Ausländer (UMA) aus verschiedenen Konfliktstaaten in Baden-Württemberg eingereist. Sie kommen vor allem aus Afghanistan, es folgen mit wesentlich geringeren Zahlen Menschen aus Syrien, Guinea, der Ukraine und der Türkei, wie aus einer AfD-Anfrage an das Sozialministerium hervorgeht. Insgesamt lebten zum gleichen Stichtag 4997 minderjährige Ausländer - meist Jungs - in Baden-Württemberg.
Nach Angaben des Sozialministeriums reisten im vergangenen Jahr 2938 junge Menschen ein. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 3152 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Südwesten betreut - das sind fast doppelt so viele wie im Coronajahr 2021 mit 1590. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2015, als der Flüchtlingszustrom enorm hoch war, rund 9000 registriert.
Immer wieder kommt es auch vor, dass junge Unbegleitete bei der Angabe ihres Alters schwindeln. Das zentrale Verfahren zur Altersfeststellung der jungen Leute ging Anfang März 2020 in Baden-Württemberg in den Regelbetrieb. An der Uniklinik Heidelberg wurden im laufenden Jahr bis zum 21. September 2023 insgesamt 87 junge Menschen untersucht - 42 von ihnen wurde Volljährigkeit bescheinigt.
Im Jahr 2022 gab es 103 Überprüfungen, 39 Fälle waren nachweislich volljährig. Bei drei Personen habe es kein eindeutiges Ergebnis gegeben und in zwei Fällen liege das Gutachten noch nicht vor. Im Jahr 2020 und Anfang 2021 gab es aufgrund der Einschränkungen wegen der Coronapandemie mehrmonatige Aussetzungen des Verfahrens, wie aus der Drucksache hervorgeht.
Sobald Zweifel über das Alter des Ausländers bestehen, werden zum Beispiel ärztliche und gerichtsmedizinische Untersuchungen zur Altersfeststellung eingeleitet. Auch Röntgenuntersuchungen werden veranlasst. Weigert sich ein unbegleiteter minderjähriger Ausländer, an den Untersuchungen mitzuwirken, können die Ausländerbehörden ärztliche Maßnahmen zur Altersfeststellung anordnen und durchsetzen. Für den Fall, dass sich ein Ausländer weigert, an der Bestimmung seines Alters mitzuwirken, ist das für die Behörden Anlass zu der Annahme, dass der Betroffene in Wahrheit volljährig ist.
Doch werden Überprüfungen des Alters nicht nur in Heidelberg vorgenommen. In Freiburg können seit Anfang Oktober im Rahmen eines Testlaufes auch medizinische Altersfeststellungen von jungen Menschen beauftragt werden. »Zum 1. Januar soll ein weiterer Standort in Stuttgart entstehen«, sagte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage.
Bei der Ankündigung der Eckpunkte für die Altersbestimmung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern im Jahr 2018 hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) gesagt, Ermittlungen des Landeskriminalamts in Mannheim im Jahr 2018 hätten ergeben, dass von 20 straffälligen angeblichen minderjährigen Ausländern 19 falsche Angaben zum Alter gemacht hatten. Ihr tatsächliches Alter habe bei zwischen 18 und 28 Jahren gelegen.
Aus der Antwort des Ministeriums geht auch hervor, dass manche UMA einfach verschwinden: Vom 1. Januar 2023 bis zum 30. September 2023 seien 544 »Abgängige« gemeldet worden. Zur Motivationslage liegen keine Informationen vor.
Durchschnittlich wurden in den vergangenen fünf Jahren im Jahresverlauf rund 2500 UMA in Deutschland als vermisst registriert, wie das Bundeskriminalamt meldet. Die häufigste Ursache für das Verschwinden ist danach das freiwillige Verlassen zugewiesener Unterkünfte, um beispielsweise Familienangehörige oder Bekannte im Ausland aufzusuchen. Bei einem Teil der Betroffenen wird auch eine Rückreise ins Herkunftsland als Grund des Verschwindens angenommen. Überprüfungen in den unterschiedlichen Ländern gestalten sich häufig schwierig und führen nicht zum Ergebnis. Die am häufigsten betroffenen Herkunftsländer der Vermissten seien Afghanistan, gefolgt von Syrien, Marokko und Algerien.
Für die Unterbringung der unbegleiteten Minderjährigen in den Städten und Gemeinden kommt das Land auf. Dieses hat dafür in diesem Jahr 106 Millionen Euro eingeplant. Nächstes Jahr sind rund 135 Millionen Euro veranschlagt. Die jungen Menschen werden an dem Ort in Obhut genommen, an dem sie aufgegriffen werden. Jetzt werden sie bundesweit verteilt, da die Jugendämter besonders in der Rheinschiene an ihre Belastungsgrenzen gestoßen sind und einen Brandbrief schrieben. Denn die meisten Flüchtlinge kommen über Frankreich und die Schweiz in den Südwesten. »Die Verteilungen erfolgen immer wöchentlich. Baden-Württemberg erfüllt seine Bestandsquote seit September 2023, daher wird bundesweit verteilt«, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.
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