Die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Baden-Württemberg hat im vergangenen Jahr leicht zugenommen. Die Fallzahl überstieg nach Angaben des Innenministeriums in Stuttgart mit zwölf Vorfällen bereits im dritten Quartal den Wert des Jahres 2021 (10). Folglich rechne die Polizei mit der ersten Erhöhung der Fallzahlen seit 2017. Zuvor waren Höchststände in den Jahren 2015 (70) und 2016 (77) erreicht worden. Im Jahr 2017 wurden 31 Anschläge verzeichnet - mit zwei Körperverletzungen und drei Sprengstoff- und Branddelikten.
Bei der Zahl der Gewaltdelikte ist demnach ein rückläufiger Trend zu verzeichnen. Während im Jahr 2015 neun, im Jahr 2016 noch 16 Körperverletzungen gemeldet wurden, war es zwischen Januar und September 2022 den Angaben zufolge nur ein Fall. Das strafbare Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen - sogenannte Propagandadelikte - haben die Behörden in diesem Zeitraum drei Mal festgestellt. Hinzu kamen weitere Straftaten, etwa Hausfriedensbruch und Volksverhetzung. In der Hälfte der Fälle gehen die Behörden von rechtsmotivierten Straftaten aus. In vier Fällen seien Spannungen zwischen Ukrainern und Russen Hintergrund für Delikte in Flüchtlingsunterkünften gewesen.
Ein Sprecher von Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte, zu der vergleichsweise moderaten Entwicklung der Zahlen trage bei, dass nicht nur junge Männer, sondern vornehmlich Frauen mit Kindern vor dem Ukraine-Krieg nach Deutschland fliehen würden.
Im Bund ist parallel zu den steigenden Zahlen Geflüchteter im vergangenen Jahr auch die Zahl von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte erstmals seit 2015 wieder gestiegen. 2022 gab es 121 Überfälle, Anschläge, Sachbeschädigungen und tätliche Angriffe auf solche Unterkünfte - ein Plus von 73 Prozent im Vergleich zum Jahr zuvor.
Im Südwesten stoßen nach Angaben des Regierungspräsidiums Karlsruhe alle Aufnahmeebenen bei Unterkünften und Personal an ihre Grenzen. Nach dem Aufbau von Notkapazitäten stehen aktuell rund 13.200 Plätze zur Verfügung. Jeden Tag kommen demnach im Schnitt 100 Schutzsuchende in Baden-Württemberg an. Täglich werden 50 bis 70 Menschen vor allem aus Nordmazedonien, Afghanistan, der Türkei und Syrien auf die Kommunen verteilt, die sich auch um die Zugänge ukrainischer Flüchtlinge kümmern müssen.
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