REUTLINGEN. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und der Reutlinger Bundestagsabgeordnete Pascal Kober kandidieren beim Landesparteitag der Südwest-FDP für einen Vorstandsposten. Rülke will Parteichef werden, Kober Stellvertreter. Im GEA-Interview reden sie über eine Aufgabenteilung, die Stimmung in der Partei und den Wahlkampf.
GEA: Beim Landesparteitag am 5. Januar wählt die FDP eine neue Führung. Herr Rülke, sie kandidieren als Parteichef. Herr Kober, Sie als Stellvertreter. Warum glauben Sie, der richtige Kandidat zu sein, Herr Rülke?
Hans-Ulrich Rülke: Ich habe zweimal bei Wahlen bewiesen, einmal sogar aus der außerparlamentarischen Opposition heraus, dass ich für die FDP Landtagswahlen gewinnen kann. Nun steht im Jahr 2026 wieder eine Wahlentscheidung im Land an. Unser Ziel ist es, im Rahmen einer bürgerlichen Koalition in die Landesregierung einzutreten, möglichst ohne die Grünen. Ich denke, es ist gut, wenn ich alle notwendigen Freiräume habe, um die Partei in die Wahlauseinandersetzung zu führen.
ZUR PERSON
Hans-Ulrich Rülke (63) ist seit 2009 Fraktionschef der FDP im Landtag und will beim Parteitag für den Landesvorsitz kandidieren. Nach dem Studium war er als Gymnasiallehrer tätig. Rülke lebt in Pforzheim, ist verheiratet und hat drei Kinder. Pascal Kober (53) ist FDP-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Reutlingen. Beim Landesparteitag will er für das Amt des ersten stellvertretenden Landesvorsitzenden kandidieren. (GEA)
Und Sie, Herr Kober, warum glauben Sie, der richtige Kandidat zu sein?
Pascal Kober: Zunächst möchte ich ergänzen, dass Hans-Ulrich Rülke den höchsten Bekanntheitsgrad der aktiven Landespolitiker der FDP hat. Zudem ist er in den landespolitischen Themen drin wie kein Zweiter. Er hat die längste landespolitische Erfahrung aller Spitzenkandidaten, die zur Wahl stehen. Das sind Qualitäten, auf die wir als Landesverband gerne setzen.
Und wie sieht es mit Ihren Qualitäten aus?
Kober: Ich glaube, dass die FDP stark ist, wenn sie breit aufgestellt ist und unterschiedliche Persönlichkeiten in den Vordergrund stellt. Ich bin bereit, mich ins Glied zu stellen und Uli Rülke zu unterstützen. Sicher werde ich auch den einen oder anderen Akzent setzen. Neben mir gibt es aber noch andere stellvertretende Landesvorsitzende und unsere Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl Judith Skudelny. Ich glaube, dass wir als Team sehr gut aufgestellt sind.
Rülke: Ich möchte noch was ergänzen. Pascal Kober ist seit vielen Jahren Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Landesvorsitzender. Er hat in dieser Zeit bewiesen, dass er gut mitwirken kann, wenn es darum geht, die Partei schlagkräftig und geschlossen aufzustellen.
Sie sehen sich also nicht als Führungsduo? Herr Rülke ist der Parteivorsitzende mit Beinfreiheit. Herr Kober, Sie sehen sich eher als Teil eines Führungsteams. Stimmen Sie dem zu?
Rülke: Um als Spitzenkandidat bei einer Landtagswahl Erfolg haben zu können, braucht man Beinfreiheit, zumindest in Maßen. Aber natürlich bin ich auch Teil eines Teams, auch wenn ich an der Spitze stehe. Das gibt uns die Möglichkeit, uns thematisch breit aufzustellen. Ich als Wirtschaftspolitiker, Pascal Kober als Sozialpolitiker, Benjamin Strasser im Bereich Innenpolitik und Judith Skudelny im Bereich Umwelt und Energie. Jochen Haußmann als Schatzmeister, der ein profilierter Gesundheitspolitiker ist, zählt auch dazu.
Herr Kober, sind Sie mit Ihrer Rolle als einer von mehreren Stellvertretern des Parteichefs zufrieden? Oder wollen Sie der eigentliche Stellvertreter von Hans-Ulrich Rülke sein.
Kober: Es gibt in der Landespartei drei Stellvertreterposten. Ich habe bisher immer für die dritte Position kandidiert und Hans-Ulrich Rülke für die erste Position. Durch den Wechsel des bisherigen Landeschefs Michael Theurer zur Bundesbank werden die Karten neu gemischt. Beim Parteitag in Fellbach werde ich Hans-Ulrich Rülke als neuen Parteivorsitzenden vorschlagen und er mich als ersten Stellvertreter. Das bedeutet für mich eine größere Sichtbarkeit. Ich bin mit dieser Aufstellung sehr zufrieden und glaube, dass wir gut zusammenarbeiten werden.
Die FDP steht in Umfragen nicht gut da, unter 5 Prozent in Baden-Württemberg. Wie ist die Stimmung in der Partei?
Rülke: Die Stimmung in der Landespartei ist entgegen dem, was manche Medien herbeischreiben wollen, ganz gut. Es ist nicht wahr, dass in Baden-Württemberg gegenüber Christian Lindner eine besondere Reserviertheit herrscht. Die Landespartei ist mit sich im Reinen. Das hat man auch beim Listenparteitag in Karlsruhe gemerkt. Mein Eindruck ist, dass die Partei entschlossen und geschlossen darauf hinwirken will, dass die Südwest-FDP ihren notwendigerweise überdurchschnittlichen Anteil beiträgt, damit die FDP in den nächsten Bundestag einziehen kann. Ich stelle keine Unruhe, keine Unzufriedenheit und keinen Zweifel an Christian Lindner und der Parteispitze fest.
»Ich stelle keine Unruhe, keine Unzufriedenheit und keinen Zweifel an Christian Lindner fest«
Herr Kober, wie ist die Stimmung in Berlin?
Kober: Die Bundestagsfraktion steht geschlossen hinter der Entscheidung von Christian Lindner, die Regierungskoalition auf die veränderte wirtschaftliche Situation in Deutschland hin neu auszurichten. Wegen der schlechten Wirtschaftslage war eine Neuausrichtung überfällig. Die SPD war dazu nicht bereit. Daran zerbrach die Ampel-Regierung. Im Wahlkreis ist die Stimmung gut. Meine Wählerinnen und Wähler haben die Gründe für das Ampel-Aus ganz anders wahrgenommen, als es in der öffentlichen Diskussion dargestellt wird. Die harte Kritik vonseiten von Scholz an der FDP wird von vielen als ungerecht empfunden. Ich habe den Eindruck, dass die Bürgerinnen und Bürger genau wissen, was wirklich gespielt wird
Warum lehnen Sie die Grünen so entschieden ab?
Rülke: Weil die Grünen bewiesen haben, dass sie dieses Land nicht regieren können. Wir sind in allen Bildungsrankings abgerutscht. In der Haushaltspolitik sind wir in eine schwierige Lage geraten. Winfried Kretschmann hat das Haushaltsvolumen in nur 15 Jahren verdoppelt. Er gibt sehr viel Geld für konsumtives aus und hat die Zahl der Beamten in den Ministerien um 50 Prozent erhöht. Die Energiewende im Land ist krachend gescheitert. Außerdem ist es so, dass die Grünen bei vielen Themen wie Identitätspolitik oder Veggie-Day ein bevormundendes Gesellschaftsbild haben. Das lehnen wir ab. Deshalb ist es gut, dass die Grünen nach 15 Jahren und einem negativen Wirtschaftswachstum in Baden-Württemberg nicht mehr in Regierungsverantwortung kommen.
Herr Rülke, was würden Sie an der Parteistruktur verändern, falls Sie gewählt werden?
Rülke: Was die Struktur der Partei anbelangt, gibt es momentan keine satzungsändernde Mehrheiten. Es gab mal den Vorschlag einer Doppelspitze. Das ist gescheitert. Es gab mal den Vorschlag, den Landesparteitag mit 400 Delegierten zu verkleinern. Die Mehrheit hat das abgelehnt. Es wurde auch mal darüber debattiert, die Zahl der Bezirke zu verkleinern. Auch das wurde abgelehnt. Ich glaube, es ist angesichts der Krisensituation im Land nicht die Zeit für Strukturdebatten. Wenn zwei so wichtige Wahlentscheidungen anstehen, ist es sinnvoll, sich mit voller Kraft auf die Auseinandersetzung zu konzentrieren.
Kober: Was die Struktur unserer Partei anbelangt, will ich ergänzen, dass wir bereits 2013 die internen Beteiligungsmöglichkeiten verbessert haben. Insofern steht eine neue Strukturdebatte nicht auf der Tagesordnung. Mit Blick auf den Wahlkampf müssen wir an der Kampagnenfähigkeit arbeiten. Da sind wir schon ganz gut. Besser werden können wir aber bei der Reaktionsschnelligkeit. Das ist gerade im digitalen Zeitalter wichtig. Da können wir noch Impulse setzen.
Herr Rülke hat es gesagt: Die Südwest-FDP muss liefern bei der Bundestagswahl. Wie viel Prozent sind ihr Ziel?
Rülke: Das Ziel hängt immer auch vom Gesamtergebnis ab. Aber so zwei Prozentpunkte mehr als der Bundesdurchschnitt ist der Maßstab der Baden-Württemberger. Wenn der Bundesschnitt bei 7 Prozent liegt, müssten wir 9 Prozent liefern.
Halten Sie 7 Prozent für die Bundespartei für realistisch?
Rülke: Vor wenigen Wochen lagen wir zwischen drei und vier Prozent. Jetzt stehen wir in Umfragen zwischen vier und fünf Prozent. Der Trend stimmt und geht in Richtung sieben Prozent. Seit dem Ampel-Aus kommt in den Köpfen der Bürger an, dass wir eine Politikwende brauchen. Das geht nur mit der FDP. (GEA)