ROTTENBURG. Während der Koran den Alkohol ablehnt, erwähnt die Bibel den Wein und die Trunkenheit an mehreren Stellen. Wie es die Bibel mit der Trunkenheit hält, erklärt der Rottenburger Theologe Klaus W. Hälbig; er hat kürzlich ein vierbändiges »jüdisch-christliches Bibellexikon nach dem mystischen Schriftsinn« mit dem Titel »Das Mysterium der Offenbarung« veröffentlicht.
Die Krippenfiguren in der Rottenburger Weggentalkirche stellen in einer Szene »Die Hochzeit zu Kana« dar. Dabei ist Jesus mit seiner Mutter bei einer Hochzeit zu Gast, als den Gastgebern der Wein ausgeht. Maria macht Jesus darauf aufmerksam. Dieser befiehlt dem Gastgeber sechs Krüge (Inhalt: 600 Liter), die für rituelle Reinigungen bestimmt sind, mit Wasser zu füllen. Daraufhin kostet der Speisemeister davon und bedauert beim Bräutigam, dass er den guten Wein bis jetzt aufgehoben hat, wo doch die Gäste schon zu viel getrunken haben, um die Qualität noch zu bemerken. Evangelische Theologen hätten bei dieser Unmenge an Wein von einem »Luxuswunder« gesprochen, weil es die Teilnehmer nicht moralisch verbessere oder heile, sondern eher trunken mache. Hälbig hält dagegen, dass es in der mystischen Tradition auch eine positive nüchterne Trunkenheit gebe. »Gemeint ist eine Gott-Trunkenheit, eine Gottesbegeisterung und Gottinnigkeit, ein Von-Gott-Erfüllt-Sein, griechisch enthousiasmos, die das Gegenteil ist von der heute verbreiteten acedia, des freudlosen und lustlosen Überdrusses am geistlichen Leben, der besonders von Mönchen gefürchtet wurde«, erklärt Hälbig. Auch beim Pfingstwunder seien die Jünger vom Geist erfüllt und »wie berauscht«.
Weinberg ist etwas Heiliges
Der erste Weinbauer in der Bibel ist Noah. »Im Hebräischen ist jeder Buchstabe auch eine Zahl. Und die Zahlen der Buchstaben von Weinberg (Kerem, 20+200+40 = 260) und dem Gottesnamen JHWH 10+5+6+5 = 26), sind 260 und dann analog 26 und stehen somit in Beziehung«, erklärt Hälbig. Der Weinberg sei auch etwas Heiliges. »Wir feiern die Heilige Messe ja auch nicht mit Apfelsaft«, sagt der Theologe. Noah ist im Übrigen in der Bibel auch der Erste, dem erlaubt wird, das Fleisch von Tieren zu essen, allerdings ohne Blut. Zuvor war nur Pflanzenkost erlaubt. »Bei Kain und Abel wird das Opfer des Hirten Abel mit dem Lamm vom sechsten Schöpfungstag angenommen und das des Ackerbauern Kain, des Dieners der Erde, mit den Pflanzen vom dritten Tag nicht, weil Kain den Weg und Sinn der Schöpfung nicht bis zum Ende geht.« Noah berauscht sich an seinem selbst gekelterten Wein und liegt nackt im Zelt. »Er nimmt den Wein falsch auf, das heißt, ohne ihn zu heiligen: in Verbindung zu bringen mit dem Ur-sprung«, so Hälbig. Noah ist bei seinem Eintritt in die Arche 600 Jahre alt, was für die heilige Sprache der Bibel, die mit der göttlichen Dimension verbunden ist, bedeutet: Er kommt vom sechsten Tag (Vergangenheit) in den siebten Tag (Sabbat, Gegenwart), um dann im achten Tag (Sonntag, Zukunft bei Gott) das Opfer des aufsteigenden Wohlgeruchs bringen zu können – in der »Arche«, was auch »Wort« bedeutet, werden Acht gerettet: Noah, seine drei Söhne und ihre vier Frauen.
Noahs Sohn Ham entdeckt nach dem Bundesschluss im Zeichen des Regenbogens seinen entblößt daliegenden Vater und erzählt davon seinen Brüdern Japhet und Sem. Diese bedecken schamhaft die Blöße ihres Vaters mit einem Überwurf, ohne ihn dabei anzusehen. »Das Sichtbare muss mit dem Unsichtbaren verbunden sein, darin besteht der Sinn des Bundes«, erklärt Hälbig.
Füchse für die falsche Liebe
Diese Szene sei etwa auch in der Sixtinischen Kapelle in Rom an der berühmten, von Michelangelo gemalten Decke zu sehen. Einige Ausleger vermuten in dem Anschauen der Blöße Noahs einen sexuellen Übergriff; Klaus Hälbig hält diese Auslegung nicht für plausibel.
Alkohol sei in der Bibel nicht generell verboten. Aber der Mensch müsse alles Sichtbare und die ganze sinnlich erscheinende Welt in Beziehung bringen zu ihrem unsichtbaren Schöpfer. Sonst könne er sich daran berauschen und sich in einer Fantasie von Allmacht oder Größenwahn an die Stelle Gottes setzen. Es gehe um den Unterschied zwischen einer gleichsam »Welt-Trunkenheit« und einer bei den Mystikern anzutreffenden »nüchternen Gott-Trunkenheit«, betont er. »Wenn Gott fehlt, dann fehlt auch ein letzter Sinn, dann sucht man schnell falschen Trost im sinnlosen Sich-Betrinken oder in anderen Süchten.« Auch Drogen könnten so zu einer Art Ersatzgott werden, erläutert Hälbig.
Auch im alttestamentlichen Hohelied der Liebe sei davon die Rede, dass die Braut nicht ihren Weinberg gehütet habe, sodass Füchse ihn verwüsten konnten. »Die roten Füchse stehen hier für eine falsche sinnliche Liebe, die im sichtbaren Leib nicht mehr den unsichtbaren Wesenskern oder die Seele und letztlich deren Schöpfer sieht«, erläutert Hälbig.
Sein Fazit: »Während der Alkohol im Islam generell als zu gefährlich betrachtet wird, haben wir Christen den Umgang mit dem Alkohol durch den eucharistischen Kult, zu dem wesentlich auch der Wein gehört, der in Jesu Blut verwandelt wird, kultiviert und gepflegt, weshalb die Gefahr nicht mehr ganz so groß ist.«
Im Hebräischen habe das Wort »Liebe«, ahawah, 1+5+2+5, den Zahlenwert 13; dies sei daher eine Glückszahl, »denn zweimal 13 ist 26, die Zahl des Gottesnamens, der mit den Zehn Geboten verbunden ist auf zwei Tafeln (5+5): Gottesliebe und Nächstenliebe«.(GEA)