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Wie die Elektro-Branche Nachwuchs gewinnen will

Wie die Branche den Nachwuchs fürs Elektro-Handwerk begeistern will.

Begeistern sich für Technik: Die Studentinnen Viktoriia Oksymets (links) und Viktoria Krebs
Begeistern sich für Technik: Die Studentinnen Viktoriia Oksymets (links) und Viktoria Krebs Foto: Frank Schwaibold
Begeistern sich für Technik: Die Studentinnen Viktoriia Oksymets (links) und Viktoria Krebs
Foto: Frank Schwaibold

STUTTGART. Viktoria Krebs ist ein bisschen unsicher. Was genau sie hier in Halle 4 der Landesmesse Stuttgart erwartet, kann sie noch nicht so richtig einschätzen. Gleich wird sie an einem Innovationswettbewerb teilnehmen, der einen ungewöhnlichen Namen trägt: Eltefa-thon heißt die Veranstaltung, und sie ist Teil der Messe Eltefa. Die Eltefa ist die größte Fachmesse für Elektro, Energie, Gebäude- und Industrietechnik in Süddeutschland.

Eigens aus Augsburg ist Viktoria deshalb nach Stuttgart angereist. Die 21-jährige Frau studiert das Fach Digitaler Baumeister in der Fuggerstadt. Es ist ein neuer Studiengang, und schon dieser Umstand zeigt, dass Viktoria offen für neues ist. Das ist auch eine wichtige Voraussetzung für den Eltefa-thon. Denn bei diesem Wettbewerb müssen junge Talente praktisch über Nacht gemeinsam mit Unternehmen praxisnahe Lösungen entwickeln. Studierende, Technikschüler und Meisterschüler treffen aufeinander. Eine Aufgabe lautet zum Beispiel, ein gutes Energiemanagementsystem zu entwickeln, damit das Netz eines Gebäudes mit Wallbox, Wärmepumpe und weiteren Stromfressern nicht zusammenbricht.

Viktoria hat zur Unterstützung ihre Kommilitonin Viktoriia Oksymets mitgebracht. Viktoriia schätzt noch etwas anderes an der Messe: »Wir suchen ein Unternehmen für unser Praxissemester. Hier können wir mit vielen Firmen in Kontakt kommen.« Neben den beiden jungen Frauen warten Sören Geiger und Shaharyar Nawaz. Die beiden jungen Männer studieren Wirtschaftsinformatik am Campus in Heilbronn. Sie reizt beim Eltefa-thon vor allem der Hauptpreis, denn es gibt eine Reise zu gewinnen.

Zahl der Azubis steigt seit zehn Jahren

Jungen Leuten das Elektrohandwerk schmackhaft zu machen, das ist ein wichtiges Ziel der Messe. Projektmanager Yannik Stäbler betont: »Wir brauchen junge Nachwuchs- und Fachkräfte.« Zwar ist die Zahl der Azubis in Baden-Württemberg nach Angaben des Fachverbands Elektro- und Informationstechnologie seit 2014 von etwas mehr als 4300 auf mittlerweile 5680 gestiegen. Doch der Frauenanteil liegt bei bescheidenen 2,8 Prozent. Zudem sucht fast jeder zweite Betrieb Personal. Und die Unternehmen der Branche haben noch Luft nach oben. Erst zwei von drei Betriebe installieren inzwischen Photovoltaikanlagen, bei den Wärmepumpen sind es sogar erst 47 Prozent.

Deshalb setzt die Messe mit dem neuen Format HerTechStories ein weiteres Zeichen für Frauen in der Elektrobranche. Mit HerTechStories greift die Eltefa ein zentrales Thema auf: Frauen sind in technischen Berufen nach wie vor unterrepräsentiert. Dabei bieten gerade diese Berufe attraktive Karrierechancen. »Es ist uns ein wichtiges Anliegen, jungen Frauen berufliche Perspektiven in technischen Berufen zu eröffnen und sie zu fördern«, sagt Esther Hoffmann, die Finanzmanagerin von ABB Elektrifizierung Deutschland. Andreas Bek, Hauptgeschäftsführer des Fachverbands Elektro- und Informationstechnik Baden-Württemberg, ergänzt: »Frauen sind im Elektrohandwerk nicht nur willkommen, sondern werden dringend gebraucht!« Peter Haas, Hauptgeschäftsführer von Handwerk BW, sieht noch einen weiteren Vorteil von Veranstaltungen wie HerTechStories oder dem Eltefa-thon : »Die Vernetzung von Handwerkerinnen untereinander ist ein wichtiger Aspekt, den wir aktiv unterstützen.«

Social Media, um Einblicke zu geben

Jana, Elektronikerin für Betriebstechnik bei der Firma Heldele, nutzt Social Media, um insbesondere Mädchen einen Einblick in die Vielfalt des Handwerks zu geben. »Ich möchte zeigen, dass der Elektroberuf nicht nur spannend, sondern auch unglaublich vielfältig ist.« Es gehe nicht nur »um Kabel und Schaltpläne, sondern es gehe auch darum, die Welt von morgen mitzugestalten«, bringt es Jana auf den Punkt.

Professorin Dr. Katharina Hölzle ist Technologiebeauftrage von Baden-Württemberg
Professorin Dr. Katharina Hölzle ist Technologiebeauftrage von Baden-Württemberg Foto: Frank Schwaibold
Professorin Dr. Katharina Hölzle ist Technologiebeauftrage von Baden-Württemberg
Foto: Frank Schwaibold

Die Herausforderungen jedenfalls sind groß. Künstliche Intelligenz, neue Technologien Nachhaltigkeit und eine alternde Belegschaft, listet Professorin Katharina Hölzle, die Technologiebeauftragte des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums, gleich mehrere Punkte auf. Und dann ist da noch die überbordende Bürokratie. Sollte der Green Deal in der EU durchkommen, dann drohten mehr als 1000 neue Gesetze, lautet eine Befürchtung von Experten. »Dann ist unsere Wirtschaft tot«, prophezeit Professorin Hölzle. Man könne nur hoffen, dass Ursula von der Leyen (CDU), die Präsidentin der Europäischen Kommission, Augenmaß beweise.

Elektrotechnik

Der Fachverband Elektro- und Informationstechnik Baden-Württemberg ist eine Dachorganisation der 35 Elektro- bzw. Informationstechnologie-Innungen im Land und vertritt die Interessen von rund 7500 Handwerksunternehmen der Elektrotechnik, der Informationstechnik und des Elektromaschinenbaus. Die gut 60.000 Beschäftigten der Branche erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von rund neun Milliarden Euro. (fs)

Denn auch sonst ist die Lage der Branche schwierig. Der Geschäftsklimaindex ist seit 2023 rückläufig »und zeigt in die falsche Richtung«, so Andreas Bek. Nur noch 55 Prozent der Betriebe bewerten ihre Geschäftslage als gut. Denn das Auftragspolster nehme seit einem Jahr ab. Mut macht dagegen, dass laut einer Umfrage 23 Prozent der Haushalte sich eine Wärmepumpe anschaffen wollen und sogar 29 Prozent eine PV-Anlage. Auch Katharina Hölzle bleibt zuversichtlich: »Die Digitalisierung ist Chance und Impulsgeber fürs Handwerk.« Nahezu »endlose und günstige Rechenleistungen« stünden mittlerweile zur Verfügung. Ferne komme mit der Generation Y eine jüngere Riege in Führungspositionen.

Nahmen am Innovationswettbewerb Eltefa-thon teil: Shaharyar Nawaz (links) und  Sören Geiger,
Nahmen am Innovationswettbewerb Eltefa-thon teil: Shaharyar Nawaz (links) und Sören Geiger, Foto: Frank Schwaibold
Nahmen am Innovationswettbewerb Eltefa-thon teil: Shaharyar Nawaz (links) und Sören Geiger,
Foto: Frank Schwaibold

Christina Geier, Marketingmanagerin von ABB, setzt auf mehr Frauen im Handwerk. »Frauen sind ein großer Schlüsselfaktor beim Thema Nachhaltigkeit«, glaubt sie. Frauen würden »die Nachhaltigkeit im Blick haben, während die Männer eher auf die Technik fokussiert sind«. Deshalb tue es der Branche gut, wenn sie Zuwachs durch weibliche Mitarbeiter habe. »Wenn Männer und Frauen zusammenarbeiten, dann fließen unterschiedliche Aspekte in die Arbeit ein. Das ist unheimlich wertvoll!«, lautet das Credo der Managerin.