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Aktuell KI

Wenn Maschinen lernen

Wie KI in die Arbeits- und Lebenswelt eingreift, diskutierten Experten in Tübingen

Die SPD-Abgeordneten Martin Rosemann (Mitte) und Daniela Kolbe (Zweite von rechts) besuchten das Max-Planck-Institut.  FOTO: MEY
Die SPD-Abgeordneten Martin Rosemann (Mitte) und Daniela Kolbe (Zweite von rechts) besuchten das Max-Planck-Institut. FOTO: MEYER
Die SPD-Abgeordneten Martin Rosemann (Mitte) und Daniela Kolbe (Zweite von rechts) besuchten das Max-Planck-Institut. FOTO: MEYER

TÜBINGEN. Künstliche Intelligenz verändert unsere Arbeits- und Lebenswelt drastisch. Dieser Ansicht ist auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe. »Vom Anwalt, über die Krankenschwester, bis hin womöglich zur Politikerin« betreffe diese Veränderung alle, daran ließ die Vorsitzende der Enquete-Kommission des Bundestages zu Künstlicher Intelligenz (KI) keinen Zweifel. Am Nachmittag hatte sie bereits die Forschungslabore des Cyber Valleys im Max-Planck-Institut in Tübingen besucht. »Das, was hier passiert, ist ein Cluster, das Ausstrahlung hat und exzellente Forscher anzieht«, resümierte sie ihren Besuch. Obwohl Kolbe das Cyber Valley als »extrem spannend« empfinde, berge die KI auch Gefahren. Im Zeichen dieses Spannungsverhältnisses stand auch die Podiumsdiskussion am Abend, zu der die Tübinger Jusos und der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann die Vorsitzende der Enquete-Kommission sowie andere Experten an die Universität Tübingen eingeladen hatten.

Als Künstliche Intelligenz (KI) oder machine learning, wie es Forscher zurückhaltender formulieren, werden Systeme bezeichnet, die mittels Algorithmen Erfahrungen sammeln können und so »lernen«. Im Gesundheitsbereich oder der Softwareentwicklung sei die Forschung dabei schon weit, so die Beobachtung der Kommission. Die Akzeptanz in der Bevölkerung dagegen sei durchwachsen.

Das Problem mit den Daten

Bei den Menschen kursierten laut Kolbe teils »apokalyptische Vorstellungen«. KI sei aber »erst einmal nicht gut oder böse, sondern ein Instrument«. Sie könne sogar dabei helfen, Produktionsprozesse effizienter zu gestalten und so »Wertschöpfung aus Drittländern zurückzuholen«. Die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Reutlingen-Tübingen Tanja-Silvana Grzesch bemerkte, eine Angst vor diesen Technologien sei bei den Beschäftigten dennoch vorhanden. Man könne die Auswirkungen nicht greifen und vor allem am Arbeitsplatz sei eine Angst vor Überwachung oder Datenmissbrauch spürbar. Betriebsräte seien auf dem Gebiet meist keine Experten und könnten digitale Neuerungen im Betrieb oft nur schwer einschätzen.

Eine solche Expertin ist jedoch Ulrike von Luxburg, Vertreterin des Cyber Valleys Tübingen. Sie bewertet den Datenschutz als eine der Problematiken bei KI-Technologie. »Daten sollten denjenigen gehören, die sie produzieren«, daraufhin solle man sie zum Beispiel verkaufen dürfen, so die Informatikerin.

Auch Ulrich Hemel sieht dieses Daten-Problem. Der Direktor des Weltethos-Instituts ist Mitglied des Cyber Valley Public Advisory Board, einem Gremium, das die Arbeit im Tübinger Forschungspark unter ethischen Aspekten bewerten soll. Er kritisierte das umfangreiche Datensammeln von Unternehmen. In Zeiten, in denen unser eigenes Unwissen immer größer werde, müsse es »digitale Fairness« von Unternehmen und Staaten geben. Eine Einspeisevergütung für Daten sei sinnvoll, damit Nutzer finanziell profitieren.

Die Fairness betreffe aber auch die Diskriminierung. Aufgrund von unvollständigen Datensätzen, mit denen Algorithmen arbeiteten, zieht das System oft falsche Schlüsse. Wenn das Bilderkennungssystem eines autonomen Fahrzeuges etwa nur mit Bildern von erwachsenen Personen gespeist wird, könnten Kinder nicht erkannt werden. Dies werfe laut Hemel die Frage auf, ob Maschinen überhaupt Entscheidungen treffen dürften.

Mehr Regulierung

Informatikerin Von Luxburg würde diese Frage sicher mit »Ja« beantworten, bemerkte aber, Forschung und Wirtschaft bräuchten bei KI »ganz dringend Regulierung«. Ihr Vorschlag ist ein Bundesamt für KI, das »halbwegs neutral und losgelöst von Partikularinteressen« die Entwicklungen der Technologie steuern solle. Außerdem könne sie sich eine Art Nachweispflicht bei kritischen Entscheidungen von Maschinen vorstellen.

Hemel forderte, beim Thema KI brauche man »politische Fantasie«. Eine Patentpflicht für Algorithmen könne Diskriminierung vorbeugen, weil Algorithmen dann offengelegt werden müssten. Außerdem müsse die Lehre umgestellt werden. Es sei ein »Manko unserer Hochschulbildung«, dass Ethik nicht fester Bestandteil der Informatik sei. Denn nur die Technik zu beherrschen reiche nicht. Mehr Bildung forderte auch Grzesch. Die Qualifizierung der Betriebsräte sei das »A und O«, damit KI »als Anreiz und Unterstützung, aber nicht zum Arbeitsplatzabbau« genutzt werde.

Daniela Kolbe will die Vorschläge mit zur Enquete-Kommission nehmen. Die soll dem Bundestag und der Regierung Vorschläge zum Umgang mit KI machen. Sie besteht aus 19 externen Sachverständigen und 19 Abgeordneten aller Fraktionen, darunter auch Jessica Tatti, Linken-Politikerin aus Reutlingen. Die Kommission tagt noch bis Herbst, dann soll ein Gesamtbericht verabschiedet werden. Ab März soll es Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger geben. Es sei wichtig, dass sich die Öffentlichkeit kritisch mit KI auseinandersetzt, so Kolbe. Das müsse auch in der Regierung geschehen. Die konnte sich zum Beispiel nicht auf die Ächtung autonomer Waffensysteme einigen. (GEA)