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Waschbären breiten sich in Stuttgart aus: Was tun?

Die Tiere breiten sich auch in der Landeshauptstadt aus. Stuttgart bittet Jäger um Mithilfe.

Mittlerweile gibt es im gesamten Stadtgebiet von Stuttgart Waschbären.  FOTO: IMAGO
Mittlerweile gibt es im gesamten Stadtgebiet von Stuttgart Waschbären. FOTO: IMAGO
Mittlerweile gibt es im gesamten Stadtgebiet von Stuttgart Waschbären. FOTO: IMAGO

STUTTGART. Die Waschbären sind weiter in Stuttgart auf dem Vormarsch und richten Schäden an. Auch in der Natur auf der geschützten Vogelinsel im Max-Eyth-See. Dort ist die Stadt nun gegen die Tiere mithilfe von Stadtjägern vorgegangen: »Weil keine Tierstationen für die invasive Tierart zur Verfügung stehen, wurden die Tiere getötet«, erklärt Katharina Ronge, Sprecherin der Stadt Stuttgart. Der Hintergrund für die Jagd: Die Waschbären haben in Hofen im Vogelschutzgebiet Nester der Graureiher ausgeräumt. Dadurch sei die tradierte Graureiherkolonie 2022 erloschen.

Vogeleier aufgefressen

Doch nun, nach der Bejagung in dem Gebiet, seien im Vergleich zum letzten Jahr wieder sehr viele Graureiher im Vogelschutzgebiet unterwegs. Erste Tiere hätten sich auch wieder mit dem Nestbau versucht. Die Stadt hofft, dass es ab dem kommenden Jahr wieder Bruterfolge gebe. Seit der Bejagung, bei der acht Tiere gefangen und getötet worden seien, seien fast keine Waschbären mehr gesichtet worden. Die Stadt geht derzeit von maximal einem Tier im Vogelschutzgebiet aus.

Was das Abschießen von Waschbären in Stuttgart betrifft, so stehe die Stadt in keinem Vertragsverhältnis mit den Stadtjägern, sondern sie erteile lediglich jagdrechtlich notwendige Ausnahmegenehmigungen, betont Ronge. So seien am Max-Eyth-See nur die Waschbären im Bereich der Vogelinsel erlegt worden. Eine weitergehende Ausnahmegenehmigung sei nicht erteilt worden.

Da die Waschbären mittlerweile im gesamten Stadtgebiet verbreitet sind, seien auch Ausnahmegenehmigungen in anderen Stadtteilen erteilt worden. Welche Stadtteile das sind, dazu macht die Stadt aktuell keine Angaben.

Zuletzt waren Vorkommen in Luginsland, Rohr, Uhlbach, Rohracker, Sommerrain, Feuerbach, Stammheim, Botnang und Degerloch/Sonnenberg von den Ämtern und Lesern mitgeteilt worden. Sie verursachten auf Privatgrundstücken oft Schäden im Dachbereich von Häusern, Schuppen oder in den Gärten. Auch gehen laut Stadt von den Tieren Gefahren für die menschliche Gesundheit aus wie die parasitärer Erkrankungen beim Menschen und die Gefahr für die Übertragung von Viren wie Tollwut und Staupe.

Im Jagdjahr 2023/24 seien 32 Waschbären in den Stuttgarter Jagdbezirken und mit Ausnahmegenehmigung im befriedeten Bezirk erlegt worden. Acht Waschbären seien tot aufgefunden respektive überfahren worden. Die Stadt erklärt, dass Waschbären im gesamten Stadtgebiet vorkommen. Es gebe allerdings keine Erhebungen respektive Zählungen von lebenden Tieren. Statistisch erfasst worden seien erlegte, überfahrene und tot aufgefundene Tiere. In den vergangenen Jahren habe die Zahl der Tiere im Stadtgebiet zugenommen.

Auf keinen Fall füttern

Bürger, die solche Tiere in ihrer Umgebung sehen, sollen die Waschbären auf keinen Fall anfassen oder füttern, rät die Stadt. Sie sollten darauf achten, dass Mülltonnen verschlossen bleiben. Bei Problemen mit Waschbären können sich Bürger an den städtischen Wildtierbeauftragten wenden. Anfragen können sie direkt per Mail an das Sammelpostfach Waffenrecht@Stuttgart.de richten.

Der Naturschutzbund (Nabu) macht auf die Diskussion aufmerksam, dass die einen die Wiederausrottung und vehemente Bejagung fordern, andere die friedliche Existenz. Laut Nabu habe sich gezeigt, dass Bejagung oder Fang mit dem Ziel, die Populationsdichte zu reduzieren, zumeist ohne Erfolg bleibe: Waschbären können Populationsverluste, so die Naturschützer, durch eine vermehrte Fortpflanzungsrate ausgleichen. Auch würden bei einer »Entnahme« neue Tiere aus umliegenden Gebieten in den dann unbesetzten Lebensraum nachrücken.

Jäger Klaus Lachenmaier betont, wie wichtig es ist, die Tiere nicht zu füttern. Auch der Nabu gibt Bürgerinnen und Bürgern Tipps, um Ansiedlungen der Tiere zu verhindern: Abfälle unzugänglich bewahren. Müllbehälter mit Spanngummis sichern. Mülltonnen mindestens einen halben Meter von Zäunen, Mauern und Zweigen entfernt aufstellen. Gelbe Säcke erst am Tag vor der Abholung vor die Tür stellen. Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Brot und Obst nicht auf den Kompost. Zudem sollten auf keinen Fall Nahrungsreste in öffentlichen Papierkörben hinterlassen und Futter für Haustiere nicht über Nacht im Garten oder auf der Terrasse belassen werden. (GEA)

FOLGENDE INVASIVE ARTEN NEHMEN IN STUTTGART ZU

In Stuttgart gibt es nicht nur immer mehr Waschbärenals invasive Art. Das erklärt Klaus Lachenmaier, Biologe, Wildtierexperte beim Nabu und Jäger. Nilgänse: Derzeit gebe es Hunderte von Nilgänsen in Stuttgart. Ein Nilgansmanagement ist noch in Arbeit. Auch auf städtischer Ebene. Allein in Hofen am Max-Eyth-See lebten 2023 mehr als 150 Nilgänse. Sie machen sich auch auf Äckern und in Freibädern breit und sorgten mit ihrem Kot für Ärger. Nach Angaben der Stadt wurden im vergangenen Jagdjahr 27 Nilgänse erlegt, davon 16 im angrenzenden Jagdbezirk zum Max-Eyth-See. Biber: Ein Problem sind laut Lachenmaier die Sumpfbiber, die Nutrias. Sie wurden am Max-Eyth-See gesehen. »Sie werden sich ausbreiten.« Ameisen: Andere invasive Tierarten wie Ameisen oder amerikanische Eichhörnchen hat der Experte in Stuttgart noch nicht gesichtet. Die Europäischen Union hat in ihrer Liste unter den Pflanzen Götterbaum, Riesenbärenklau und Himalaja-Bergknöterich als invasiv gelistet. Nach Angaben des Nabu Deutschland sind rund 168 Tier- und Pflanzenarten bekannt, die negative Auswirkungen haben. In der Europäischen Union gehen Experten davon aus, dass es 1.200 gebietsfremde Arten gibt. (GEA)