Stuttgart (dpa/lsw) - Der Mangel an guten Pflegern und qualifizierten Ärzten hat nach Angaben der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) für viele Kliniken ein existenzbedrohendes Ausmaß angenommen. »Die Folgen für die Versorgung der Menschen im Land sind mittlerweile deutlich spürbar«, sagt der BWKG-Vorsitzende Detlef Piepenburg. Mehr als zwei von drei Allgemeinen Krankenhäusern hätten in den vergangenen zwölf Monaten Betten oder Abteilungen wegen Personalmangels schließen müssen. Das hat laut BWKG die jüngste Halbjahres-Umfrage der Gesellschaft bei den Hospitälern ergeben.
Demnach geben Geschäftsführer von 86,5 Prozent der Krankenhäuser und 88,6 Prozent der Reha-Kliniken sowie von 85 Prozent der Pflegeeinrichtungen an, es sei schwierig oder eher schwierig, Pflegefachkräfte zu finden. Die freien Stellen von Ärzten können demnach 69,3 Prozent der Krankenhäuser und sogar 84,4 Prozent der Reha-Kliniken nur schwer besetzen. »Es knirscht im System«, sagte der BWKG-Hauptgeschäftsführer Matthias Einwag.
Zum Teil seien auch Betten in den Intensivstationen nicht belegt worden, in einigen Fällen länger als drei Tage im Monat, kritisierte Piepenburg, der als Landrat in Heilbronn eigene Erfahrungen gemacht hat mit Personalmangel, roten Zahlen und geschlossenen Krankenhausabteilungen. Ende 2016 musste er sich dafür einsetzen, mehrere Klinikstationen in Brackenheim und Möckmühl zu schließen und an die großen Häuser in Heilbronn und Bad Friedrichshall zu verlagern.
Schuld an der Misere seien unter anderem die seit einem Jahr vorgeschriebenen Pflegepersonaluntergrenzen in den Abteilungen Intensivmedizin, Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie. Sie schreiben eine Mindestzahl an Pflegekräften pro Patient vor. In der Intensivmedizin darf eine Pflegekraft in der Tagschicht zum Beispiel nicht mehr als 2,5 Patienten betreuen. Krankenhäuser würden sogar wegen Verstoßes gegen diese Untergrenzen bestraft, wenn sie eine solche »Nothilfe« für andere Kliniken leisteten. »Das belastet in völlig ungerechtfertigter Weise die sowieso angespannte finanzielle Situation der Krankenhäuser«, sagte Piepenburg.
Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) sieht das anders: Der Mangel an Fachkräften sei bekannt und bedauerlich. »Nun aber wieder an den für die Patientensicherheit wichtigen Personaluntergrenzen rumzumachen, ist der falsche Weg«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur und verwies auf die neue generalistische Ausbildung, die die bisherigen Ausbildungen der Alten-, Kinderkranken- und Krankenpflege verbindet. »Ich hoffe, dass dadurch und mit einer attraktiveren Bezahlung deutlich mehr Personal für den so wichtigen Pflegeberuf gewonnen werden kann.«
Immer komplizierter wird laut BWKG-Umfrage auch, Krankenhauspatienten nach ihrer Entlassung in der ambulanten oder stationären Pflege versorgen zu lassen. Es fehle das Pflegepersonal, deshalb könnten Pflegeplätze nicht belegt werden. Die Notlösung: Krankenhäuser würden die oft hochbetagten Patienten so lange versorgen, bis es eine Anschlussversorgung gebe.
Die Krankenhausgesellschaft forderte mehr Offenheit für Ideen der Häuser und weniger Bürokratie. Vorgaben kosteten die Pflegenden rund 40 Prozent ihrer Zeit. »Wir haben eine überbordende Bürokratie«, bemängelte Piepenburg. »Und jede Minute, die wir hier sparen können, können die Pflegerinnen und Pfleger in ihre Patienten investieren.« Zudem müssten ausländische Fachkräfte schneller anerkannt werden.
Ein großer Teil der Kliniken hat laut Indikator zudem finanzielle Probleme: Rund 57 Prozent der Krankenhäuser, 43 Prozent der Reha-Kliniken und fast jede dritte Pflegeeinrichtungen (30 Prozent) gehen derzeit davon aus, dass sie im laufenden Jahr rote Zahlen schreiben. Das werde sich zunächst auch nicht verbessern, warnen die Krankenhausverwaltungen in der Umfrage. »Die Zahl der Pflegekräfte in Baden-Württemberg steigt nicht schnell genug. Und es werden zunehmend ältere Menschen gepflegt, die Operationen werden aufwendiger und die Pflegebedürftigkeit nimmmt zu«, sagt Einwag.