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Walter Schultheiß: Der Vorzeigeschwabe mit Wortwitz

Verschmitzt, kantig, bescheiden: So hat Walter Schultheiß seine Rollen verkörpert. Heute wird der Volksschauspieler 100

Fröhlich bis ins hohe Alter: Der schwäbische Volksschauspieler Walter Schultheiß wird 100. FOTO: SCHNEIDER/SCHWABENLANDFILM GMBH
Fröhlich bis ins hohe Alter: Der schwäbische Volksschauspieler Walter Schultheiß wird 100. FOTO: SCHNEIDER/SCHWABENLANDFILM GMBH
Fröhlich bis ins hohe Alter: Der schwäbische Volksschauspieler Walter Schultheiß wird 100. FOTO: SCHNEIDER/SCHWABENLANDFILM GMBH

STUTTGART. Walter Schultheiß konnte stets in alle Rollen schlüpfen. Er war der »König von Bärenbach« (1990), löste als Inspektor Köberle (»Köberle kommt«, 1982/1983) schlitzohrig auch kniffligste Fälle und spielte sich als eigenwillig-charmanter Weingutbesitzer Eugen Eisele (»Der Eugen«, 1985–1989) in über 100 Folgen in die Herzen der Fernseh-Zuschauer.

Kurz vor seinem 90. Geburtstag ergatterte Schultheiß seine erste Hauptrolle im Kino: Im Film »Global Players« (2013) mimte er den Firmen-Patriarchen Paul Bogenschütz, der um sein Lebenswerk fürchtet, weil sein Textil-Unternehmen vom weltweiten Konkurrenzdruck plattgemacht wird. Seinen Erfolg kommentierte Schultheiß schelmisch: »Vielleicht bekomme ich den Preis für den besten Nachwuchsschauspieler.« Auch beim Kinofilm »Laible und Frisch« (2017) sagte er trotz seines stolzen Alters nicht ab.

An diesem Samstag schaut Schultheiß auf das ganze Jahrhundert seines Lebens zurück. Der Verwandlungskünstler vor der Kamera und auf der Bühne feiert seinen nächsten runden Geburtstag. Wie der vielleicht schwäbischste aller bundesweit bekannten Mimen das all die Jahre und bis ins hohe Alter geschafft hat? »Da muss man lange dran arbeiten. Das geht nicht von heute auf morgen«, gab er Jüngeren schon an seinem 90. Geburtstag mit auf den Weg – auch damals mit dem für ihn so typischen Augenzwinkern. Jetzt, an seinem 100. Geburtstag, sagt er: »Über das Alter, in dem die Leut’ sterben, bin ich längst hinaus.«

»An den Schwaben-stempel gewöhnt man sich und lernt, ihn zu nutzen«

Zwar wurde der gebürtige Tübinger im ganzen Land durch seine Rollen in den Fernsehserien bekannt. Seine Karriere aber begann 1947 als Pedro del Vegas in der Operette »Maske in Blau«, später trat er auch als Privatgelehrter, Sekretär, Portier und Schmuggler auf. Allein im »Weißen Rössl« stand Schultheiß 360 Mal auf der Bühne. Auch im Schauspiel war er keineswegs nur in schwäbischen Volksstücken zu sehen. Seine Premiere auf der Leinwand feierte Schultheiß 1948 als Russlandheimkehrer Fritz Eder in »Heimat ist Arbeit«.

Bekannt wurde Walter Schultheiß als Straßenkehrer im Hörfunk. FOTO: SWR
Bekannt wurde Walter Schultheiß als Straßenkehrer im Hörfunk. FOTO: SWR
Bekannt wurde Walter Schultheiß als Straßenkehrer im Hörfunk. FOTO: SWR

Beliebt und bekannt wurde Schultheiß zunächst durch den Hörfunk. Zusammen mit Werner Veidt bildete Schultheiß ab 1963 mehr als zwei Jahrzehnte lang das Straßenkehrer-Duo Karle und Gottlob (»Ich bin der Straßenkehrer Gottlob Friederich; ich kehr’ für Arm und Reich, für Groß und Niederich«). Die Serie wurde schließlich zum Markenzeichen der Hörfunkreihe »Gäste im Großen Sendesaal«, die jeden Samstag im Süddeutschen Rundfunk (SDR) lief, dem Vorgänger des heutigen Südwestrundfunks (SWR). Später trug er als pietistischer Altpfarrer Merkle in der SDR-Serie »Oh Gott, Herr Pfarrer« zur Verbreitung eines Schwabenbilds bei, das sich in Ansätzen bereits seit seinen ersten Radiorollen durch die Karriere zieht.

Bekannt als Vermieter des Tatort-Kommissars Bienzle

Bundesweit wird Walter Schultheiß vor allem der Vermieter von Tatort-Kommissar Bienzle bleiben. In seiner Heimat aber liebt das Publikum ihn als Ur-Schwaben, der verschmitzt, kantig und bescheiden daherkommt. Der dem Understatement verhaftet ist, wie es auch seiner Heimat nachgesagt wird.

Eine »schwäbische Jahrhundertgestalt«, nennt ihn Axel Preuß, Intendant der Stuttgarter Komödie im Marquardt, die jahrzehntelang Schultheiß’ »zweites Wohnzimmer« gewesen sei. Schultheiß habe auch in Augenblicken größten Erfolgs Werte wie Menschlichkeit, Fleiß, Bodenständigkeit und Bescheidenheit verkörpert, sagt Preuß. Auf die Frage nach der Voraussetzung für gutes Schauspiel habe Schultheiß geantwortet: »Üben, üben, üben!« Ebenso knapp fiel der Hinweis auf seine liebste Rolle aus: »Die Frühlingsrolle.« Lampenfieber? Nein! »Nur, wenn die Zahl der Lampen ins Unermessliche steigt«, konterte Schultheiß.

Ähnlich sieht das Frieder Scheiffele, der die Bäckerei-Saga »Laible und Frisch« (2006–2017) erfunden und produziert hat. »Unabhängig davon, ob Walter ernste oder humorvolle Rollen spielt – gerade seine schwäbischen Figuren begeistern mich«, sagt der Geschäftsführer der Schwabenlandfilm GmbH. »Sie sind so glaubwürdig dargestellt, dass ich mich als Schwabe damit identifizieren kann.« Schultheiß habe ein feines Gespür für Pointen und Timing. »Obwohl Walter einer der bekanntesten und dienstältesten Schauspieler in Deutschland ist, zeichnet er sich durch Bescheidenheit und Verlässlichkeit, Professionalität und Loyalität aus.«

»Über das Alter, in demdie Leut’ sterben, binich längst hinaus«

Ein ähnliches Loblied stimmt der baden-württembergische Kunststaatssekretär Arne Braun (Grüne) an: Er bezeichnet Schultheiß als »Volksschauspieler«: »Eine Ikone des schwäbischen Wortwitzes und gleichzeitig ein hintergründiger Charakterdarsteller.«

Und Schultheiß? Der hat sich anfangs zwar noch geärgert über den »Schwabenstempel«, der ihm aufgedrückt worden sei. »Aber man gewöhnt sich daran und lernt, damit zu leben und es zu nutzen.« Außerdem habe es damals schon ausreichend Schauspieler gegeben. »Aber keiner von denen konnte Schwäbisch«, erinnerte er sich später.

Walter Schultheiß und Trudel Wulle: Das Schauspieler-Ehepaar war mehr als 70 Jahre verheiratet. Trudel Wulle verstarb 2021.  FOT
Walter Schultheiß und Trudel Wulle: Das Schauspieler-Ehepaar war mehr als 70 Jahre verheiratet. Trudel Wulle verstarb 2021. FOTO: MURAT/DPA
Walter Schultheiß und Trudel Wulle: Das Schauspieler-Ehepaar war mehr als 70 Jahre verheiratet. Trudel Wulle verstarb 2021. FOTO: MURAT/DPA

Sein Publikum habe ihn halt ausschließlich in schwäbischen Rollen sehen wollen, sagte er seinerzeit. So verfasste Schultheiß neben der Schauspielerei witzige Dialoge, Gedichte und Valentinaden, in denen der »Vorzeigeschwabe« mit humorvollem und hintersinnigem Blick die schwäbische Seele seziert. Einen »Wortklauber« nannte ihn seine Frau Trudel Wulle, ebenfalls Schauspielerin. Die beiden hatten sich beim Wildberger Schäferlauf 1960 ineinander verguckt, heirateten und hielten sich über 70 Jahre die Treue bis zu Wulles Tod 2021.

Seinen 100. Geburtstag wird Schultheiß im Familienkreis in seinem Haus hoch oben über dem Nagoldtal feiern, erzählt sein Sohn Götz. Dort wohnt er mit dessen Familie und den Enkelkindern. Und sein Humor? Den hat er nach Angaben seines Sohns auch im hohen Alter keineswegs verloren. (dpa)

 

TV-ABEND UND DVD-BOX

An Walter Schultheiß’ Geburtstag (Samstag, 25. Mai) sendet der SWR ab 21.50 Uhr einen Filmabend. Zu sehen sind: Das Porträt »Ein Jahrhundert Leben« mit Originaltönen von Schultheiß und Weggefährten. Der Kinofilm »Global Player« über einen Textilunternehmer, der sich gegen die Übernahme durch die Chinesen wehrt. Der Familienfilm »Der Schwarzwaldhof« über Tradition, Intrige und Liebe. Und die Krimireihe »Köberle kommt« mit Justizoberinspektor Eugen Köberle von der Stuttgarter Polizei. Alle Filme sind auch in der ARD Mediathek abrufbar. Die SDR-Serie »Der Eugen« um den knitzen Winzer Eugen Eisele gibt es mit allen 100 Folgen als DVD-Box. Das Crowdfunding-Projekt ist im Handel erhältlich, zum Beispiel bei www.swr-shop.de. (GEA)