Die Anteilseigner der VW-Dachgesellschaft Porsche SE (PSE) haben schlechte Karten, im Zuge des Dieselskandals Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Dies geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Musterentscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart hervor. An ihm müssen sich die Landgerichte nun orientieren. Im Grunde ging es um Vorwürfe gegen den Volkswagen-Großaktionär, zu spät über den Abgasskandal und seine Aufdeckung durch die US-Behörden 2014 und 2015 informiert zu haben. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts kann noch vor dem Bundesgerichtshof angefochten werden.
Zur damaligen Zeit war VW-Chef Martin Winterkorn zugleich Vorstandschef der PSE und Hans Dieter Pötsch Finanzvorstand bei beiden Unternehmen. Für die Pflicht zur Veröffentlichung einer Börsenmitteilung reiche nicht aus, wenn die Doppelvorstandsmitglieder von dem Dieselskandal und seiner Aufdeckung nur wussten, weil sie in ihrer Funktion als VW-Vorstände informiert gewesen seien, urteilte das Oberlandesgericht. Denn in diesem Fall seien sie zur Verschwiegenheit verpflichtet gewesen. Die Doppelvorstandsmitglieder hätten die Informationen nur weitergeben dürfen, wenn sie von der Verschwiegenheitspflicht von Europas größtem Autobauer befreit worden wären.
Außerdem war die VW-Dachgesellschaft nach Auffassung des 20. Zivilsenats nicht verpflichtet gewesen, den Kapitalmarkt schon im Juni 2008 über die Abgasmanipulation bei VW-Dieselfahrzeugen zu informieren. Die Vernehmung der bis Ende 2009 amtierenden Vorstandsmitglieder Wendelin Wiedeking und Holger Härter hätten keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass diese Wissen über die illegalen Abschalteinrichtungen hatten.
Die PSE hielt die Klagen von Anfang für »offensichtlich unbegründet«. Man sei eine Beteiligungsholding und kein Autobauer. Daher sei man auch nicht mit der Entwicklung, Herstellung oder dem Vertrieb von auffällig gewordenen Dieselmotoren befasst gewesen. Die Entscheidung vom Mittwoch begrüßte die Holding. Damit habe das OLG die Auffassung der Porsche SE bestätigt, sagte ein PSE-Sprecher
Die Kläger betonten hingegen, dass sie - im Unwissen über die Dieselbetrügereien - vor Jahren zu viel Geld für ihre PSE-Aktien bezahlt hätten. Ihre Argumentation: Wenn VW und dann auch die Holding die Märkte früher über den Skandal informiert hätten, hätte das auch früher den Aktienkurs gedrückt und sie hätten weniger für ihre Anteile bezahlen müssen.
Zum Musterkläger hatte das OLG einen britischen Fonds erklärt, der einen Anspruch von 5,7 Millionen Euro geltend machte. Insgesamt stehen Schadenersatzforderungen von rund 929 Millionen Euro im Raum.
Die Porsche SE hatte bereits im vergangenen September einen Etappensieg bei ihren Rechtsstreitigkeiten errungen. Damals erlitten Anleger in Celle in einem Musterverfahren über die VW-Übernahmeschlacht im Jahr 2008 eine empfindliche Niederlage. Da ging es um Schadenersatz in Höhe von 5,4 Milliarden Euro plus Zinsen.
Porsche SE Vorstandschef Pötsch sagte kürzlich anlässlich der Bilanzpressekonferenz: »Wir betrachten sämtliche gegen die Porsche SE erhobenen Klagen als unbegründet und teilweise auch als unzulässig. Deswegen sind wir davon überzeugt, dass wir uns in sämtlichen noch anhängigen Verfahren durchsetzen werden.«
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