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Von Waschlappen und Rumfummeln: Politischer Aschermittwoch

Nach der Corona-Pause treffen sich die Parteien zum politischen Aschermittwoch auch im Südwesten wieder zum Live-Stammtisch. Derb sollte das sein, feuchtfröhlich auch. Doch richtig fies wird es nicht - angesichts der Weltlage bleiben die Politiker eher auf Kuschelkurs.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) beim politischen Aschermittwoch mit umgehängtem Waschlappen. Foto: Marijan Murat
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) beim politischen Aschermittwoch mit umgehängtem Waschlappen.
Foto: Marijan Murat

Beim politischen Aschermittwoch im Südwesten haben sich die Parteien eher liebevoll geneckt als mit Häme überzogen. Die CDU traf sich mit ihrem Chef und Innenminister Thomas Strobl in Fellbach - zu Gast war sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Herbert Reul. Auch in Biberach bei den Grünen gab es hohen Besuch: Zu Ministerpräsident Winfried Kretschmann gesellte sich der Bundesagrarminister und überzeugte Schwabe Cem Özdemir.

Politischer Aschermittwoch, da versammeln sich Parteien gemeinhin mit der Abteilung Attacke und lassen kaum ein gutes Haar am politischen Gegner. Sie können die Gelegenheit aber auch nutzen, um sich ein bisschen selbst auf den Arm zu nehmen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann ging da bei den Grünen mit gutem Beispiel voran und betritt die Bühne der Stadthalle mit einigen Exemplaren aus seiner mittlerweile stattlichen Waschlappensammlung.

Er habe einen ganz persönlichen Beitrag geleistet zum Energiesparen - »und zur baden-württembergischen Reinlichkeitskultur«, scherzte der Regierungschef und präsentierte Waschlappen, unter anderem ein ausgefallenes Exemplar mit weiß-blauen Rauten - ein Geschenk des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Kretschmann hatte Mitte August mit Blick auf die Energiekrise gesagt, man müsse ja nicht dauernd duschen, auch der Waschlappen sei eine »brauchbare Erfindung«.

Ernster wurde es mit Blick auf die schwer umkämpfte Ukraine, wo sich der Angriffskrieg Russlands an diesem Freitag jährt. Ein Manifest, in dem Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Feministin Alice Schwarzer vorschlagen, im Ukraine-Krieg auf Verhandlungen mit Russland statt auf Waffenlieferungen zu setzen, kritisierte der Regierungschef scharf. »Es ist schon etwas ziemlich Unfassbares wieder in so eine alte Sichtweise zurückzufallen«, monierte der Grünen-Politiker.

Auch in Fellbach beim Koalitionspartner CDU war der Krieg natürlich ein Thema. Selbst, wenn Deutschland keine Kriegspartei sei, sei man »freilich nicht neutral« und stehe an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer, sagte der Parteivorsitzende Thomas Strobl. »Der Krieg Putins richtet sich auch gegen uns. Die Art, wie wir leben, unsere Freiheit und unsere Demokratie.«

Doch der politische Aschermittwoch wäre halt nicht der »größte politische Stammtisch des Landes« wenn nicht auch gegen den politischen Gegner gestichelt würde. Bei der CDU lästerten Strobl und Reul vor allem über die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im Bund - oder die »Streit-Ampel«, wie Strobl es nannte. Besonders Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und FDP-Chef Christian Lindner bekamen ihr Fett weg. Und »gescholzt« stehe nun für Nichtstun, rief Strobl mit Blick auf Bundeskanzler Olaf Scholz.

Die Berliner Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus, wo trotz Wahlschlappe auch SPD, Grüne und Linke sondierten, war ebenfalls Thema auf den Bühnen. Rot-Grün-Rot klebe dort an der Macht wie die sogenannten Klimakleber der Gruppe Letzte Generation, spottete Strobl. Und Reul sagte: »Jetzt fummeln die da irgendwie rum, Hauptsache Macht erhalten.« Bei den Grünen empfahl Promi-Gast Özdemir mit einem Augenzwinkern, hilfreich könne zur Abwechslung das belgische Modell sein. »Dort wurde der Weltrekord mit sage und schreibe 600 Tagen ohne Regierung aufgestellt. Und Achtung: Der Wirtschaft ging es besser.«

CDU-Gast Reul nutzte seinen Auftritt für einen Appell an die Christdemokraten, sich leidenschaftlicher für Rechtsstaat und Demokratie zu engagieren. »Davon träume ich noch - dass die ganze CDU-Familie statt über Steuergesetze zu streiten mal ausströmt und in der Bevölkerung mal eine Welle der Begeisterung auslöst für dieses tolle Thema, für diesen Rechtsstaat«, sagte der NRW-Innenminister. Und das sollte dann immer gelten - und nicht aussetzen, wenn man mal falsch geparkt und ein Knöllchen bekommen habe. »Regeln gelten in einem Rechtsstaat für alle.« Dieser sei »so ein wertvolles Gut«.

Die grün-schwarze Koalition nahm naturgemäß die oppositionelle SPD aufs Korn. Die Sozialdemokraten kamen in Ludwigsburg zusammen. Dort sprach SPD-Landeschef Andreas Stoch mit Blick auf die Landesregierung von einer »unheimlichen Romanze zwischen denen, die nicht vorankommen können und denen, die nicht vorankommen wollen.« Er vermisse einen Fahrplan für den wirtschaftlichen Wandel. »Baden-Württemberg ist nicht im Sternzeichen Stillstand geboren, Herr Kretschmann!«

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