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Vom AfD-Kritiker zum AfD-Politiker

Wie die Fraktion in Stuttgart mit einem Mitglied umgeht, das die Partei vor Jahren »nicht wählbar« nannte

Der Stuttgarter AfD-Stadtrat, der einst in einem Attac-Papier vor der AfD warnte: Jurist Siegfried  Fachet. FOTO: STADT/NIEDERMÜ
Der Stuttgarter AfD-Stadtrat, der einst in einem Attac-Papier vor der AfD warnte: Jurist Siegfried Fachet. FOTO: STADT/NIEDERMÜLLER
Der Stuttgarter AfD-Stadtrat, der einst in einem Attac-Papier vor der AfD warnte: Jurist Siegfried Fachet. FOTO: STADT/NIEDERMÜLLER

STUTTGART. Unter den fünf AfD-Vertretern im Stuttgarter Gemeinderat ist Siegfried Fachet vergleichsweise unauffällig. Anders als manche Kollegen macht der promovierte Jurist und langjährige Mitarbeiter der katholischen Kirche keine Negativ-Schlagzeilen: Weder provoziert er wie sein Parteifreund Nils Foitzik mit einem Ausraster im Ausland einen Polizeieinsatz, noch empört er mit einem Plakat (»Schnelle Remigration schafft Wohnraum«) wie sein Mitstreiter Thomas Rosspacher.

Ohne großen Wahlkampf wurde der über Siebzigjährige mit einem der besten AfD-Ergebnisse ins Rathaus gewählt, dort waltet er geräuschlos seines Amtes.

Nun aber sorgt Fachet, der bis zur Pensionierung 2016 als Vizechef im Büro der katholischen Bischöfe bei Landtag und Landesregierung arbeitete, auch einmal für Gesprächsstoff. In der Kommunalpolitik kursiert derzeit ein älteres Dokument, das ihn als Kritiker, wenn nicht Gegner der AfD ausweist. Als »Verantwortlicher im Sinne des Presserechts« steht er unter dem zweiseitigen Papier, das die globalisierungskritische Organisation Attac mit Blick auf die Europa- und Kommunalwahl im Mai 2014 herausgegeben hat.

»Ein Blick hinter die Fassade der ›Alternative für Deutschland‹«, steht groß über der ersten Seite. Was die Attac-Leute dort sahen, gefiel ihnen gar nicht. Zentrales Anliegen der AfD sei die Auflösung des Euro-Währungsverbundes – laut Experten ein »abenteuerliches Wagnis und Risiko mit unabsehbaren Folgen«.

»Ein Risiko mit unabsehbaren Folgen«

Damit nicht genug: Die Partei erhalte Zulauf aus rechtspopulistischen Kreisen, verfolge nationalistische Tendenzen und habe ein »Demokratiedefizit«. Mit »denkbar einfachen Rezepten« sammele sie all jene ein, die von der »weich gespülten Merkel-Union« enttäuscht seien. Das Fazit der Analyse fiel deutlich aus: »Warum diese Partei nicht wählbar ist«, »Lassen Sie sich nicht von populistischer Bauernfängerei täuschen«, oder kurz: »AfD? Nein danke.« Gut zehn Jahre später arbeitet der für die Warnungen Verantwortliche selbst in der Partei mit, die inzwischen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. Was soll man davon halten? Im Rathaus-Umfeld macht eine ziemlich abenteuerliche These die Runde: Fachet könne als »U-Boot« in die Stuttgarter AfD eingeschleust worden sein, um sie von innen heraus zu beobachten oder gar zu bekämpfen. Der zuweilen leicht kauzig wirkende Senior sei für eine solche Mission ideal geeignet, weil er keinerlei Verdacht errege. Fachet ließ Anfragen dazu unbeantwortet.

Doch auf beiden Seiten gilt die Vermutung als abwegig. Bei Attac in Stuttgart heißt es, der konservative Kirchenjurist sei nur relativ kurz dabei gewesen – kaum mehr als ein Jahr. Mit der Bewegung habe er erkennbar gefremdelt, was ihn überhaupt dorthin führte, blieb rätselhaft. Lange habe man nichts mehr von ihm gehört, dann seine Wahl in den Stadtrat registriert. Dort lässt der AfD-Fraktionschef Michael Mayer nichts auf seinen Kollegen kommen. Das parteikritische Flugblatt sei »Schnee (und Schmäh) von vor mehr als zehn Jahren« und seit Langem bekannt, so Mayer. Fachet habe stets offen über seine damaligen Beweggründe gesprochen. Er nehme für sich eben »das Recht in Anspruch, auch in fortgeschrittenem Alter noch dazugelernt zu haben«.

»In fortgeschrittenem Alter noch dazugelernt«

Zugleich sei das Papier ein Beispiel für die Entwicklung der politischen Landschaft in den vergangenen zehn Jahren, so Mayer: Als Konservativer sei man bei Attac damals akzeptiert worden, heute würde man vermutlich eher attackiert. Der Vorsitzende lässt an Fachets Mitgliedschaft nicht rütteln: »Er ist und bleibt ein sehr geschätzter Kollege.« (GEA)