STUTTGART. Der fatale Raser-Unfall eines jungen Mannes in Stuttgart kann nach Ansicht seines Verteidigers nicht als Mord gewertet werden. »Hierzu müsste der Tod der beiden Unfallopfer billigend in Kauf genommen worden sein«, teilte sein Verteidiger Klaus Bessler am Montag nach seinem nicht-öffentlichen Plädoyer vor dem Landgericht mit. Den Nachweis hierfür konnte die Staatsanwaltschaft nach Auffassung Besslers allerdings nicht erfüllen.
Er geht von einer fahrlässigen Tötung aus und forderte für den 21-Jährigen eine Jugendstrafe von höchstens zwei Jahren. Die Strafe solle nach der bislang verbüßten achtmonatigen Untersuchungshaft zur Bewährung ausgesetzt werden. Würde die Kammer der Forderung folgen, wäre der 21-Jährige nach der Urteilsverkündung am Freitag (15.11.) auf freiem Fuß.
Nach Auffassung des Verteidigers liegt ein Tötungsvorsatz auch deshalb fern, weil der junge Fahrer gewusst habe, dass er durch einen Unfall bei seinem rasanten Tempo auch sein eigenes Leben in Gefahr bringen würde. »Mit einer Realisierung eines ihm drohenden Selbstschädigungsrisikos hätte er sich nie abgefunden«, heißt es in der Kanzlei-Mitteilung weiter.
In dem Prozess hatten Staatsanwaltschaft und zum Teil auch die Nebenklage vor einer Woche auf Mord plädiert und mehrjährige Jugendstrafen gefordert, weil der damals 20-Jährige die Kontrolle über seinen gemieteten Sportwagen verloren und mit dem Auto einen Kleinwagen gerammt hatte. Vor dem Crash hatte der PS-starke Mietwagen des Deutschen den Angaben zufolge bis zu 165 Stundenkilometer auf dem Tacho. In den Trümmern des Kleinwagens waren ein 25 Jahre alter Fahrer aus Nordrhein-Westfalen und seine 22 Jahre alte Freundin ums Leben gekommen. Der Sportwagenfahrer und sein Beifahrer blieben unverletzt. Es ist die erste Mordanklage nach einem Raser-Unfall in Baden-Württemberg.
Die Anklagevertreterin will den jungen Mann zu einer sechsjährigen Jugendstrafe verurteilt sehen. Zwei der drei Nebenkläger - die Eltern der beiden Opfer und ein Bruder - schlossen sich der Staatsanwaltschaft weitgehend an und plädierten auf sechs beziehungsweise acht Jahre Jugendstrafe, ebenfalls wegen Mordes. Die dritte Anwältin dagegen forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe, weil sie den Fahrer als Erwachsenen verurteilen würde.
Die Plädoyers wurden in nichtöffentlicher Sitzung vor dem Landgericht gehalten. Das gilt auch für das letzte Wort des Angeklagten. Gesetzlich dürfen Plädoyers nicht öffentlich gehalten werden, falls die Öffentlichkeit bereits bei einem Teil der Verhandlung ausgeschlossen war. Das Urteil soll am 15. November folgen.
Für Aufsehen hatte zuletzt ein Urteil gegen einen Raser in Darmstadt gesorgt. Rund zehn Monate nach einem tödlichen Unfall auf einem Autobahn-Parkplatz in Hessen hatte das Landgericht den 19 Jahre alten Fahrer zu sechs Jahren und vier Monaten Jugendstrafe verurteilt. Die Richter hatten die Tat in ihrer Urteilsbegründung als Mord bewertet. (dpa)